DIE GEFAHR IST REAL

Bei den Europawahlen könnten die Rechtsradikalen erstmals stärkste Kraft werden

VON KAY WALTER*

Was schwer nach Binsenweisheit klingt, wird in diesem Jahr extrem wichtig werden, gerade auch bei der Europawahl Anfang Juni. Die Gefahr, dass rechtsradikale Europagegner die Mehrheit im EU-Parlament gewinnen, ist real. Marine Le Pens Rassemblement National (RN) wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die meisten Stimmen in Frankreich holen. Das Gleiche gilt für Giorgia Melonis Fratelli d’Italia, für Victor Orbans Fidesz aus Ungarn oder für Geert Wilders Partij voor de Vrijheid aus den Niederlanden.

Dass Robert Ficos SMER aus der Slowakei (noch) Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion ist, verhindert zwar, dass rechtsnationalistische Populisten zur größten Fraktion werden, macht deren Politikvorstellungen aber keinen Deut besser.

Von der AfD, die sich mit ihren Forderungen nach „Remigration“, sprich Deportation von nicht genehmen Personen, und nach EU-Austritt selbst unter den genannten durch besondere Radikalität hervorhebt, ganz zu schweigen. Le Pen, Meloni und Wilders weisen solche Positionen aus taktischen Gründen zurück: Sie sind bereits dichter an der Macht als Alice Weidel und Co.

Ganz deutlich: Es geht nicht darum, den Teufel an die Wand zu malen. Es geht um Vorbeugung. Die Großdemonstrationen gegen rechts in Deutschland können und dürfen nur der Anfang sein. Sie zeigen jeden Tag, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger sich rechtsradikaler Politik entgegenstellt. Nun müssen konkrete Taten folgen, sowohl was das Handeln der Parteien angeht als auch das Verhalten der Wählerinnen und Wähler. Demokratische Parteien wählen, ist wichtiger denn je. Niedrige Beteiligung nützt nur der AfD und ihren Gesinnungsfreunden.

Unsere Nachbarn in Polen haben vorgeführt, dass und wie die Populisten in demokratischen Wahlen geschlagen werden können. Ihr Sieg belegt aber zugleich, wie schwer es ist, rechtsstaatliche Prinzipien wieder in Kraft zu setzen, sind sie erst einmal abgeschafft worden. Wehret den Anfängen heißt auch wählen gehen.

*Mein Freund und ehemaliger Kollege, Kay Walter, in Paris lebender Autor, TV-Journalist und Coach, hat sich im Vorwärts Gedanken über Europa gemacht

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