Die Tik-Tok-Intifada

Der 7. Oktober & die Folgen im Netz

Analyse und Empfehlungen der Bildungsstätte Anne Frank

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7.Oktober 2023 spielen Soziale Netzwerke eine bedeutende und vielfach unterschätzte Rolle bei der Verbreitung von Terrorpropaganda, Falschinformationen, Israelhass, Antisemitismus und Verschwörungsnarrativen.

Die Bildungsstätte Anne Frank fasst in ihrem Report #Nahostkonflikt die Beobachtungen relevanter Plattformen aus den ersten drei Monaten nach dem Terroranschlag in einer ad-hoc-Analyse zusammen. Der Report legt den Schwerpunkt auf TikTok – das unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen beliebteste und reichweitenstärkste Netzwerk und schildert die drastischen Auswirkungen des TikTok-Konsums auf die politische Meinungsbildung der jungen Zielgruppe.

Kein anderer bewaffneter Konflikt auf der Welt beschäftigt so viele Menschen emotional derart intensiv. Schon zuvor waren Desinformationskampagnen, Verschwörungserzählungen, politische Radikalisierung und antisemitische Narrative eng mit dem Nahostkonflikt verknüpft – über den Aufstieg der Sozialen Medien wurden sie zum Massenphänomen. Neu ist das Phänomen keineswegs: Bereits im Rahmen der Eskalation im Nahostkonflikt im Mai 2021 machte die Wort-Neuschöpfung „Tiktok-Intifada“ Schlagzeilen.

Der 7. Oktober hat hier als Brandbeschleuniger gewirkt. Mit besonderer Sorge muss politische Bildner:innen die Tatsache erfüllen, dass es zunehmend junge Menschen sind, die in den Sog dieser Narrative geraten. Die Kurzvideo-Plattform TikTok ist zum zentralen Massenmedium einer ganzen Generation erwachsen, fungiert als Suchmaschine, Nachrichtenquelle, Hausaufgabenhilfe, Kontaktplattform, Messenger-Dienst und Unterhaltungsmedium in einem. Hauptsächliche Quellen sind dabei Influencerinnen (TikTok-intern: “Creator:innen”), die für die Jugendlichen die Funktion von Journalistinnen, Entertainer:innen und politischen Welterklärer:innen einnehmen. TikTok ist ein Eldorado des Microlearnings – im Guten wie im Schlechten: In kurzen und prägnanten Videos vermitteln immer mehr Creator:innen Wissen und animieren die Nutzer:innen so dazu, den eigenen Lernhorizont zu erweitern. TikTok ist für viele User:innen der Gen Z nicht nur ein „Fun-Kanal“, sondern ein Sprungbrett, um tiefer in die Themen einzu- tauchen, die sie bewegen. In Bezug auf den 7. Oktober ist hier eine Flut fragwürdiger, feindseliger, antisemitischer und offen demagogischer Inhalte entstanden, in denen die problematischen Tendenzen Sozialer Medien sich in bisher beispielloser Weise potenziert haben.

Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Soziale Medien heute geeignet sind, globale Konflikte, Krisen und Kriege nahezu sofort in „Haushaltsartikel“ zu verwandeln. 

Terrororganisationen und ihre Sympathisant:innen streuen teils bewusst Videos ihrer Untaten ins Netz. Radikale jeder Couleur nutzen das Netz ungehemmt und mit großer Reichweite. Noch vor jeder journalistischen Befassung schwappen Informationen, Desinformationen, Gewaltdarstellungen und hochgradig emotionalisierender Content weitgehend ungefiltert in die Sozialen Medien, werden dort verhandelt und sofort zum Gesprächsgegenstand.

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