Ein Wort zum Montag, dem 6. November 2023
VON CORNELIA SENG
Manchmal überkommt mich das Gefühl, das Böse läuft wie ein feuerspeiender Drache durch die Welt. Die Kriege, der Hass, die Risse in der Welt und in unserer Gesellschaft. Bringt mein Tun und Sagen überhaupt etwas? Besser ist die Welt seither nicht geworden.
Mir fällt der große Krug ein. Eines Tages kam er mit der Post. Eine ältere Bekannte meinte, bei uns sei er gut aufgehoben. Leider hat er den Transport nicht unbeschadet überlebt: ein tiefer Riss trennte den unteren Teil ab. Zerbrochen in große Scherben lag er im Paket. Vorsichtig haben wir ihn geklebt. Seitdem steht er auf einer Fensterbank oder oben auf dem Schrank. Er ist von formvollendeter Schönheit; es wäre viel zu schade, ihn auszusortieren.
Auf beiden Seiten, rechts und links vom Henkel sind Erzengel sorgfältig eingeritzt. Der Erzengel Michael mit einer Lanze. Sie endet im Maul des gefährlichen Drachen unter seinen Füßen. Auf der anderen Seite steht der Erzengel Gabriel mit der Botschaft: „Nun ist das Reich unseres Gottes geworden“.
Wim Mühlendyck (1905-1986) aus Köln hat den Krug hergestellt und signiert. Er schreibt dazu, er habe ihn als „Abendmahlskrug und als Zeichen seines Kriegserlebnisses“ gefertigt. Im Vorwort zum Ausstellungskatalog heißt es, „die Arbeiten Mühlendycks wollen in ihrer Aussage über sich hinausweisen auf die bestimmenden Mächte im Leben des Menschen und ihm damit helfen, eine Orientierung zu finden“.
Also: Die guten Mächte Gottes bestimmen unser Leben und geben Orientierung! In der traditionellen Gestalt der Engel werden sie abgebildet. Selbst im Krieg hat Mühlendyck sie erfahren.
Im Katalog heißt es weiter: „Wim Mühlendyck hat in seinem Leben und Werk etwas von dem widerspiegeln können, was ihn von jeher beseelt und geführt hat: vom Glauben an die Güte und Liebe Gottes. Sein Beispiel mag in einer veräußerlichten, oft sinnentleerten Zeit Mahnung, aber auch Trost sein.“
In dieser taumelnden Zeit tröstet mich der Krug.
Ob sich die Risse in der Welt kleben lassen wie die Scherben des Kruges? Seine Botschaft ist eindeutig: Wir haben allen Grund, es zu versuchen. Aufgeben macht keinen Sinn. Gott ist auf unserer Seite.
Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? (Rö 8, 32)