VON WOLFGANG HORN
Die Petition für die Sechszügigkeit der neuen Gesamtschule verzeichnet derzeit 1.083 Unterzeichnende, das sind 144% des Quorums von 620 angestrebten Unterstützern. Knapp 400 Unterstützer haben auch einen Kommentar zu ihrem Votum abgegeben. Diese Meinungsbeiträge geben die ganze Breite von persönlicher Betroffenheit von Schulangelegenheiten, von Bildungs- und Aufstiegserwartungen für die kommenden Generationen und von Enttäuschung über die Halbherzigkeiten der Politik wieder. Das ist ein eindeutiges Signal an jene Parteien, die im Rat der Stadt die Sechszügigkeit abgelehnt haben.
Mittlerweile ist die Aufforderung an die Ratsmitglieder ergangen, eine Stellungnahme zum Ratsbeschluß abzugeben. Ein gutes Viertel der Stadtverordneten ist dieser Aufforderung nachgekommen. Noch nicht gerührt haben sich die CDU und die Freien Wähler, vom Bürgerforum liegt eine Stellungnahme des Fraktionsvorsitzenden, Oliver Platt, vor.
Mit den Stellungnahmen können die Ratsherren und -frauen auch einen grünen Button anklicken für „Ich stimme zu / überwiegend zu“ oder einen roten Button für „Ich lehne ab“. Ich weiß gar nicht, wie ich es nennen soll, daß mit einer Ausnahme nur grüne Buttons angeklickt worden sind, selbst von jenen, die gegen den Antrag von Grünen und FDP für die Sechszügigkeit gestimmt haben. Ich weiß natürlich, daß damit angedeutet werden soll, daß man „eigentlich“ für die Sechszügigkeit sei, aber der Verhältnisse am Schulstandort wegen nicht anders gekonnt habe, als für den Verwaltungsvorschlag der Fünfzügigkeit zu votieren. Ich bleibe aber dabei: Wenn der Schulentwicklungplan, der mit Akribie und wissenschaftlicher Genauigkeit die Entwicklung der Schülerzahlen in den kommenden Jahren prognostiziert und damit für alle Menschen wachen Sinnes die entscheidende Planungsgröße für die lokale Schulpolitik ist, wenn dieser Schulentwicklungplan im Stadtrat zur Makulatur erklärt wird, zu nutzlos gewordenem Papier, zu Altpapier, dann kann man auch den Stadtrats-Argumenten im Kontext mit dem Schulstandort keinen Glauben schenken und Schulpolitik kann dann auch mit Würfeln ausgefochten werden.
Der grüne Button exculpiert jene nicht, die den Mut nicht aufbringen konnten, vielleicht auch gegen die Fraktionsvorstände für die bessere Entwicklung der neuen Gesamtschule zu stimmen, gemeinsam Platz zu nehmen im Boot der Sechszügigkeit mit den Eltern, Schülern und Lehrern der Schule. Jetzt das Motto auszugeben: Laßt uns doch erst mal schauen, wie sich die Schülerzahlen so entwickeln, und dann könnten wir ja immer noch reagieren, das ist ein Täuschungsversuch, für den man in der Schule die Note 6 bekommt.
Wie man hört, soll in Hückeswagen der Schulbedarfsplan auf Eis gelegt worden sein. Bereitet man sich dort schon darauf vor, daß demnächst erneut viele Schülerinnen aus Wermelskirchen in die Nachbarstädte pendeln werden?
Gestern Abend hatten die Grünen zu einer Diskussion über die Lage der Gesamtschule eingeladen. Die Grünen waren vertreten, zwei Vertreter der örtlichen FDP, Gesamtschullehrer, die Elternpflegschaft, die Presse natürlich und – sonst niemand. Kein Diskussionsbedarf bei den Vertretern der anderen Parteien mit abweichender Position. Schade.
Umso besser, daß man jetzt auf der Petitionsseite nachlesen kann, wie und warum die Stadtverordneten gegen den Lehrer- und Elternwillen gestimmt haben. Der Vertreter der Linken beispielsweise hat gegen beide Vorlagen gestimmt, gegen die Verwaltung und gegen FDP/Grüne. So kann man Politik auch machen. Immer unentschieden. Der Vertreter des Bürgerforums will die Frage der Zügigkeit der Gesamtschule unter anderem von der des Gymnasiums abhängig machen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende, der einzige im übrigen, der ehrlicherweise den roten Ablehnungsbutton gewählt hatte, hat mit seinem Votum für den Verwaltungsvorschlag die Chance versäumt, die sozialdemokratische Grundbotschaft der Bildungspolitik erkennbar zu machen. Die Zukunft der Schule ist nicht das dreigliedrige Schulsystem, sondern der gemeinsame Unterricht aller Kinder, die Förderung in der Gemeinschaftsschule, damit der Schul- und Bildungserfolg nicht vom sozialen Status der Eltern abhängig ist. “Die Sozialdemokratie ist im eminentesten Sinne die Partei der Bildung.” (Wilhelm Liebknecht, 1872)
Ich bin auf die weiteren Stellungnahmen sehr gespannt.