Scharfmacherin der AfD

VON. WOLFGANG HORN

Alice Weidel sagte im Sommerinterview der ARD zum Kriegsende 1945, sie habe sich dagegen entschieden, “die Niederlage des eigenen Landes mit einer ehemaligen Besatzungsmacht zu befeiern“, ohne daß der ARD-Interviewer, Matthias Deiß, auch nur mit einem Wort oder wenigstens hochgezogenen Augenbrauen auf diese obszöne Geschichtsklitterung reagierte. Das Bemühen, den Lauf der Geschichte und die Übereinkunft darüber, was der Tag des Kriegsendes für die Menschen auf der ganzen Welt bedeutet, auf den Kopf zu stellen, ist geschichtsvergessen, vielleicht übler als das antisemitisch-rotzlöffelige Hetzpamphlet im aiwangerschen Schulranzen, weil von einer erwachsenen Parteichefin geäußert, bei klarem Verstand in Amt und Würden.

Sie kehrt um, verdreht, leugnet mithin, worauf sich die Gesellschaft dieses Landes bislang über alle Lager, Konfessionen, parteipolitische Orientierungen hinweg verständigen konnte: Der 8. Mai 1945 ist der Tag der Befreiung. Der Befreiung Deutschlands vom massenmörderischen Terrorregime der Nationalsozialisten unter Führung Adolf Hitlers. Damit auch ein Tag der Befreiung aller Völker, die von Deutschland überfallen und ausgeraubt worden waren. Eine Befreiung, die wir den Allierten verdanken, vor allem auch der sowjetischen Armee.

Dieses gemeinsame Grundverständnis geht auf die große Leistung des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zurück, der zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs 1985 im Deutschen Bundestag die Rede hielt, die im kollektiven Gedächtnis aller Demokraten dieses Landes hinterlegt ist. Und hinter dem sich alle Demokraten bei allem politischen Wettstreit im Grundkonsens seither versammeln.

Alice Weidel und die von ihr mitgeführte AfD haben diesen gemeinsamen Boden verlassen. Sie beklagt die Niederlage von Nazideutschland. Beklagt, dass der sechs Jahre dauernde und von Deutschland vom Zaun gebrochene Zweite Weltkrieg von den Alliierten, eben auch von Russland durch einen militärischen Sieg beendet wurde. Was hätte sich AfD-Führerin Weidel denn gewünscht? Statt der Befreiung. Den Endsieg? Die Fortsetzung des Krieges mit Kindern, Frauen und Versehrten? Eine Superbombe? Weidels verräterische Aussage ist mit nationalkonservativ nicht hinreichend beschrieben. So wie Weidel öffentlich spricht, sprachen Nazis bislang nur stiekum an Lagerfeuern oder clandestin in abgeschotteten asozialen Medien.

Auch als modern erscheinende weiße Frau mit Perlenkette und spöttisch hochgezogenen Mundwinkeln, in lesbischer Beziehung mit einer in Sri Lanka geborenen Schweizerin lebend, kann man die Fratze des Rechtsextremismus sein. Alice Weidel ist nicht gemäßigte Protagonistin, sondern die neonazistische und geschichtsrevisionistische Scharfmacherin der AfD. Obszön.

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