DIE GEBURTSTAGSFEIER

Ein Wort zum Montag, dem 28. August 2023

VON CORNELIA SENG

“Wisst Ihr eigentlich, dass Ihr alle Teil meines Lebens seid?” Der ältere Herr guckt aufmerksam in die Runde der Gäste. Er hat zur Feier seines hohen Geburtstages eingeladen. Einundneunziug ist er dieses Jahr geworden. “Jeder von Euch hat Anteil daran, wie mein Leben geworden ist”, fährt er fort. “Martin Buber hat schon recht mit seiner Ich – Du Philosophie. Das ICH reift und formt sich am DU. Ohne Euch wäre ich ein anderer, wäre mein Leben eben nicht mein Leben. Wisst Ihr das eigentlich?” – fügt er an. 

Der Philosoph Martin Buber wird zu den “hebräischen Humanisten” gezählt. 1965 ist er in Jerusalem gestorben. Die hebräische Bibel, die Schriften des Judentums, sind Quelle seines Denkens. Das “ICH” ist keine schon immer feststehende Größe. Das ICH wird maßgeblich geprägt in der Begegnung mit dem Anderen, dem DU. Das ICH reift an der Begegnung mit dem Mitmensch. Und an der Begegnung mit Gott. 

Mir fällt die Geschichte aus dem Johannesevangelium ein. Kurz vor seinem Tod wäscht Jesus den Jüngern die Füße. Das ist gewöhnlich Arbeit für Bedienstete. Petrus protestiert auch gleich. Der Lehrer und Meister wäscht ihnen – den Schülern –  die Füße? Das stellt das “Oben und Unten” auf den Kopf! Aber Jesus will es so: “Wenn ich dich nicht wasche, so hast du keinen Teil an mir”, antwortet er Petrus (Joh 13,9). Und Anteil an Jesus wollte Petrus natürlich haben! Dieses Erlebnis muss sich den Jüngern tief eingeprägt haben. Nicht herrschen! “Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener,” hat Jesus ihnen gesagt (Mt 20,26). Das “Oben und Unten” steht Kopf!

Wie ist es, wenn sich das ICH am DU Jesu formt?  

Im Konfirmandenunterricht haben wir oft einen Farbholzschnitt von Thomas Zacharias zu dieser Geschichte von der Fußwaschung betrachtet. Die Farbe der Figur Jesu ist in kleinen Teilen bei den Jüngern auch wiederzufinden. Bei manchen färbt sie den Kopf, bei anderen den Mund oder die Hand. “Jesus will auf uns abfärben”, sagte eine Konfirmandin.

Jesus will, dass nicht nur seine Worte in Erinnerung bleiben. Abfärben auf uns will er. “Ein-drücklich” – im wahrsten Sinne des Wortes – ist den Jüngern das Leben mit ihm. Er wird ihr ICH formen und reifen lassen. Auch wenn sie im Moment noch nicht sagen können wie.

Staunend und dankbar blickt der Jubilar heute zurück. Wie sein Leben doch geworden ist durch das DU der anderen und das DU Jesu Christi! 

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