ÜBER ARBEIT UND LEBEN

Ein Wort zum Montag, dem 21.8.2023

VON CORNELIA SENG UND LUCIE PANZER

Meine langjährige Freundin Lucie und ich sehen viele Dinge ähnlich, zum Beispiel haben wir Zweifel an der Rede von der “Work-Life-Balance”. Lucie war Rundfunkpfarrerin in der Evangelischen Kirche in Württemberg. Jetzt, im Ruhestand, schreibt sie alle vierzehn Tage eine Kolumne in der Kirchenzeitung. Mit ihrer Erlaubnis übernehme ich heute ihren Beitrag (mit dem Foto) über die “Work-Life-Balance”. Übrigens: Sie finden ihre Beiträge unter: https://www.evangelisches-gemeindeblatt.de

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Work-life-balance: Für mich ist das eine bequeme Ausrede“, sagt mein Sohn. Er ist 40, Vater von vier Kindern und selbständig. Seine Frau ist auch berufstätig. Sie teilen sich Kinderbetreuung und -erziehung und den Haushalt. Beide hängen an ihrer Arbeit. „Wenn ich mich um Haushalt und Familie kümmere, ist das genauso mein Leben wie das, was ich beruflich mache“, sagt mein Sohn. „Und wenn wir am Sonntag im Bach zu angeln versuchen, dann ist das auch mein Leben. Mein Leben, das ist Arbeit und Freizeit. Beides mache ich gern. Aber nicht für mich allein.“

Etwas Ähnliches habe ich in einem Interview mit Thomas de Maizière gelesen, dem Kirchentagspräsidenten. Er ist 70, Rentner und hat viele Ehrenämter. „Balance zwischen Arbeit und Muße ja. Aber nicht zwischen Arbeit und Leben“, sagt er. In der Schöpfungsgeschichte werde die Balance zwischen Arbeit und Muße mit sechs zu eins angegeben. Sechs Tage Arbeit, ein Tag Ruhe. Und der Marxismus habe Arbeit sogar als zentralen Punkt für die Erklärung des Menschseins gesehen.

Ich sehe, wie anstrengend das Leben junger Eltern sein kann. Manchmal. Und ich beobachte, wie glücklich sie sind. Nicht immer. Aber oft. Ich erinnere mich, wie das war, als meine vier Kinder klein waren und ich noch andere Aufgaben zu erfüllen hatte. Ich war oft unglaublich müde und habe doch alles gern gemacht. Zeit für mich selber hatte ich kaum. Meine Tochter hat mich mal gefragt: „Warum hast du eigentlich kein Hobby, Mama?“

Inzwischen meine ich: „Zeit für sich selbst“ zu haben, ist ein Luxus für Rentner und Rentnerinnen. Jetzt, wo die Kinder aus dem Haus sind und meine Zeit im Beruf zuende, jetzt kann ich mir überlegen, was ich tun möchte, mit wem und für wen. Wobei mir das „mit wem und für wen“ wichtig scheint. Ich tue gern etwas für andere. Wenn die dann zufrieden sind, vielleicht sogar froh, dann freut mich das. Der Sinn des Lebens liegt nicht nur im Ich, sondern vor allem im Du!

Deshalb meine ich: Wir Menschen leben nicht jeder für sich allein, sondern für andere. Für sie etwas zu gestalten, das ist unsere Aufgabe. Diese Aufgabe ist unser Leben.

Das meint Lucie Panzer. Und was meinen Sie? 


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