Ein Wort zum Montag, dem 14. August 2023
VON CORNELIA SENG
Die kleine Figur sitzt auf unserer Fensterbank, zwischen den Blumentöpfen. Sie war ein Geschenk meiner Patentante zu meiner Ordination, der Berufung in den Pfarrdienst. Sie ist eine Tonfigur von Dorothea Steigerwald. Anfang der achtziger Jahre waren ihre Figuren recht verbreitet.
Dorothea Steigerwald war Diakonisse im Mutterhaus Hebron bei Marburg. Sie stammt aus Duisburg und arbeitete mal im Rheinland, mal in Hessen. 2014 ist sie gestorben. Mit ihren kleinen Tonfiguren ist sie bekannt geworden. Meistens zeigen sie ein Kind, das sich in eine große, beschützende Hand schmiegt. „Ich will den Menschen ganz einfach sagen, dass da einer ist, der sie liebt“, sagte Schwester Dorothea dazu.
Meine Figur ist anders. Keine Hand schützt sie. Ein Kind hockt ganz allein auf dem Boden und schaut neugierig und sehnsuchtsvoll in die Ferne. Zuversichtlich, ganz ohne eine Spur von Angst. Was die Patentante mir damit wohl sagen wollte? Sollte ich so – neugierig und vertrauensvoll – in die Zukunft der Berufstätigkeit blicken? Ich war gerne Pfarrerin. Und im Grunde gilt die Ordination noch heute, auch wenn die Zeit der aktiven Berufstätigkeit hinter mir liegt.
Aber wohin schaue ich jetzt? Was erwarte ich noch vom Leben? Auf was bin ich neugierig? Der Horizont ist manchmal schon zu sehen. Aber was liegt hinter dem Horizont?
“Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein. Dann wird man sagen unter den Heiden: Der HERR hat Großes an ihnen getan!”
Mit diesen Worten beginnt Psalm 126. Als Jugendliche hatte ich ihn mal in Schönschrift abgeschrieben und die Worte an die Wand gehängt.
Die Zuversicht auf Leben hinter dem Horizont haben die Christen von den Juden übernommen. Es kommt die messianische Zeit! Überall wird Friede sein. Friede und Gerechtigkeit, verkündet der Prophet Jesaja (Jes 11, 1-10). Dann wird Lachen und Rühmen sein! Das neue Land ist noch kaum zu ahnen, aber der auferstandene Christus ist Garant dafür. Er war der Erste dieser neuen Zeit.
Erst jetzt fällt mir auf, dass die kleine Tonfigur den Mund staunend geöffnet hat. Ob sie schon etwas sieht – wie im Traum?
Können wir auch so ins Leben gucken? Auf das, was vor uns liegt? Neugierig, erwartungsvoll und voll Vertrauen? Ich wünsche es mir und uns allen.