Ein Wort zum Montag, dem 17. Juli 2023
VON CORNELIA SENG
“Diese Art der Verzierung ist ganz selten, es gibt sie überhaupt nur zwei- oder dreimal in Deutschland”. Wir stehen vor der Klosterkirche in Jerichow. Karl ist im Schatten des Bauwerks aufgewachsen und kennt jeden Stein. “Diese Art der Verzierung stammt von den Italienern”, erläutert er. Man merkt ihm die Liebe zu der alten Kirche an. Von den Italienern also! Überhaupt stammt das ganze grundlegende Know-how – aus Lehm Backsteine zu brennen – von den Italienern. Alle Backsteinkirchen des Nordens wurden später auf diese Weise gebaut. Und auch viele Häuser. Was wäre Deutschlands Norden ohne die Kunstfertigkeit der Italiener von damals, überlege ich mit einem Besucher der Kirche. Er bewundert die Stabilität der Säulen in der Kirche. Über achthundert Jahre später erfreuen wir uns an den Räumen des Klosters und genießen die Stille in dem alten Bau.
Damals haben die Mönche und Chorherren gern und ungefragt vom Wissen der Zuwanderer aus Italien profitiert. Wie werden wir heute profitieren von den Menschen aus Syrien, Afghanistan und Eritea? Werden meine Nachkommen auch einmal sagen: “Das haben wir von den geflüchteten und zugewanderten Menschen aus dem Orient und aus Afrika gelernt”? Nicht nur Backrezepte haben wir Frauen schon unter uns ausgetauscht.
Wir könnten auch den besonderen Blick auf das Leben voneinander lernen. Die Perspektive. Wie siehst du Leben? Was erfreut dich? Was ist dir wichtig?
Wenn Afrikaner bei uns im Gottesdienst zu Gast waren, wurde geklatscht und ein bisschen verstohlen getanzt beim Singen. Etwas mehr Lebendigkeit würde unseren Gottesdiensten gut tun. Zum Beispiel diese Freude am Singen und der Bewegung könnten wir von den Freunden aus Afrika lernen.
Die Menschen aus dem Orient scheinen sich – meiner Beobachtung nach – gerne zu unterhalten. Manchmal lautstark und lange. Was wäre, wenn wir wieder mehr miteinander reden würden? Miteinander reden statt übereinander? Uns auf der Straße grüßen und ins Gespräch kommen? Bei einem spontanen Kaffee vielleicht? Unser Zusammenleben würde gewinnen.
Abraham, der gemeinsame Urvater der Juden, Christen und Muslime, bekommt von Gott den Auftrag, seine Heimat zu verlassen und in ein Land zu gehen, das Gott ihm zeigen wird (1.Mo 12,1). Danach wird oft berichtet, dass er als “Fremdling” lebte unter den Völkern des Landes. (1. Mo 20,1 und 21,34)
Wie wäre es, die Fremden unter uns wertzuschätzen mit ihrem Know-how, ihrer Kultur und ihrem besonderen Blick auf das Leben?