VOM FUCHS UND DEN GÄNSEN

Ein Wort zum Montag, dem 10. Juli 2023

VON CORNELIA SENG

Mehrmals täglich komme ich hier vorbei: Vom Kreuzgang betritt man die Kirche in Jerichow durch das Chorherren-Portal. Der Eingang ist mit zwei Säulen verziert. Verzierungen sind selten in der alten romanischen Backsteinkirche. Keine Schnörkel, keine Bilder. Die Kirche spricht durch ihre klare Architektur. Um so mehr fallen die Motive an der rechten Säule auf: Ein Fuchs im Ordensgewand predigt zwei Gänsen. Eine Fabel. Vor jedem Gottesdienst mussten die Chorherren und Mönche an dieser Säule vorbei. Und sie werden sich ihre Gedanken darüber gemacht haben. 

Als Warnung vor verführerischen Slogans in der Predigt werden sie die Darstellung an der Säule verstanden haben. Eine Warnung vor Leichtgläubigkeit. Habt Acht: Will der Prediger uns nur “Honig ums Maul” schmieren wie der Fuchs den Gänsen? Predigt er nur aus eigenem Interesse? Erstaunlich kritisch ist die Darstellung am Portal!

Derartige Warnungen gibt es in der Bibel zuhauf. “Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre der Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus”, wird die erste Gemeinde der Kolosser von Paulus gewarnt (2,8). Und der Hebräerbrief lobt: “Es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade” (Hebr 13,9). 

“Sollte Gott gesagt haben?”, zischte schon die Schlange im Paradies der Eva zu. Sollte Gott gesagt haben, dass ihm die Menschen alle gleich wichtig sind? Sollte Gott gesagt haben, dass er jeden Menschen zu seinem Ebenbild geschaffen hat und wir seine Würde zu wahren haben? Lasst euch nicht einfangen von Ideologien, die heute von “Ethno-Pluralismus” reden und in Wahrheit meinen, mein Reichtum ist wichtiger als dein Leben. Sie verweigern Menschen die Hilfe, die in Gefahr sind auf der Flucht über das Mittelmeer. Und sprechen von “illegaler” Migration. Dabei gibt es ein vereinbartes Recht auf Migration! Migration ist immer legal!

Der Bildhauer im Kloster ermahnt: Seid nicht wie die dummen Gänse, die auf den Fuchs hereinfallen! Er tut nur so, als meinte er es gut mit euch, aber in Wahrheit … .

Ein “festes Herz” wünsche ich uns allen in diesen Zeiten.

Das Chorherrenportal im Kloster von Jerichow


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