Ein Wort zum Montag, dem 26. Juni 2023
VON CORNELIA SENG
Der Regen fließt in Strömen über das Zugdach. Das Wasser ist wie ein Vorhang vor dem Fenster. Innerhalb von Minuten zogen dunkle Wolken auf. “Weltuntergangsstimmung”, sagen die Mitreisenden. Bei heiterem, sommerlichen Wetter war ich in Karlsruhe in den Zug gestiegen. Jetzt endet er in einer Kleinstadt kurz vor Kassel. Abgestellt im extremen Unwetter!
“Dunkle Wolken hängen vor unserer Zukunft”, sagte der Reporter im Radio. Er meinte die Weltlage. Die vielen “dunklen Wolken” in der Welt machen Angst. Was wird auf uns zukommen? Wird unsere Demokratie den Herausforderungen standhalten?
In den höheren Klassen haben die Schüler*innen häufig die “Offenbarung” als Thema des Unterrichts vorgeschlagen. Das letzte Buch der Bibel sollte im Unterricht durchgenommen werden. Ich habe immer gezögert. Würde ich ihnen vermitteln können, dass die Offenbarung eine Trostschrift ist und kein Gräuelbuch?
Damals, als das Buch entstand, litten die Menschen unter der Herrschaft der römischen Kaiser. Sie waren Autokraten, die sich zudem gerne als Gott anbeten ließen. Wer ihnen widerstand, bekam sofort ihre Gewalt zu spüren. In Bildern aus der alten Zeit schildert Johannes, genannt “der Seher”, seine Visionen. Es sind Bilder, wie sie nur in Träumen – Albträumen – vorkommen. Sie sind schwer nachzuvollziehen. Aber die Botschaft dahinter ist klar: Gott wird sein Projekt Erde nicht aus der Hand geben! Was er begonnen hat, führt er auch zu einem guten Ende.
Das tröstet mich auch heute. Das Unrecht wird den Sieg nicht davontragen! Irgendwann wird Gott ein Machtwort sprechen. Liebe und Gerechtigkeit, wie Jesus sie vorgelebt hat, werden sich durchsetzen.
“Die Bibel beginnt mit einem Garten und endet mit einer Stadt, dem neuen Jerusalem”, habe ich von englischen Freunden gelernt. Sie bezogen sich auf die letzten Kapitel im Buch der Offenbarung. Und lebten schon vor dreißig Jahren mit den herausfordernden neuen Strukturen in ihrer Stadt. Mit vielen neuen Ideen lebten sie Menschenfreundlichkeit und Willkommenskultur mit zugewanderten Menschen.
Nach der europäischen Asylpolitik befragt, antwortet Karl Kopp, der Europaleiter von PRO ASYL: Hoffnung machen ihm vor allem die vielen Menschen in der Zivilgesellschaft, die sich für einen menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen einsetzen. Sie gründen NGOs zur Seenotrettung im Mittelmeer. Und spenden dafür. Sie starten Projekte, die Flüchtlinge partizipieren lassen an unserer Gesellschaft. Ich bete um Kraft und Zuversicht für diese Projekte.
Denn Gott wird sein Projekt Erde nicht aufgeben! Am Ende der Offenbarung des Johannes heißt es: “Und Gott wird abwischen alle Tränen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen” (Offb 21,4). Gottes Liebe wird das letzte Wort behalten!
Nach dem Unwetter über Kassel bin ich – zwar mit Hindernissen – noch gut nach Hause gekommen. Die Wolken hatten sich verzogen.