VON WOLFGANG HORN
Für die Ermittlungsbehörden war der NSU keine kriminelle Vereinigung. NSU steht für nationalsozialistischen Untergrund. Und für mindestens zehn Morde an Mitbürgern mit familiärer Migrationsgeschichte. Die „letzte Generation“ ist ein lockerer Verbund junger Menschen, zusammengetrieben von der offenbaren Unfähigkeit professioneller Politiker, die nach Aussage von Christian Lindner als einzige zuständig für die Abwendung der Klimakrise seien, die Klimakatastrophe mit wirksamen Mitteln einzudämmen. Aber: Die Aktivisten der „letzten Generation“ sind keine kriminelle Vereinigung. Sie leisten Widerstand, zivilen Ungehorsam, sie begehen aber keine Verbrechen. Symbolische Aktionen sollen die Klimakatastrophe in den Fokus rücken. Sie nehmen große Nachteile, selbst ihre Kriminalisierung in Kauf, damit unsere Kinder und Enkel auch zukünftig noch in einem erträglichen Klima leben können. Die Aktivisten der Letzten Generation sind bislang auffällig friedlich, wie der Soziologe Mathias Quant heute in den Medien kritisiert. Sie wehrten sich nicht einmal, wenn sie von Autofahrern verprügelt werden. In sieben Bundesländern wurden insgesamt 15 Objekte durchsucht, auch die Privatwohnung der Sprecherin Carla Hinrichs. Bankkonten, die Webseite und Mail-Adressen wurden beschlagnahmt. Es geht um den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Nur: Es reicht nicht, wenn eine bayerische Polizeibehörde oder Staatsanwaltschaft von der Bildung einer terroristischen Vereinigung mutmaßen. Das muß von einem zuständigen Gericht festgestellt werden. Solche Razzien verstärken die Entfremdung zwischen Teilen der Klimabewegung und den Repräsentanten des Staats und öffnen womöglich erst den Weg in eine Radikalisierung, drängen Aktivisten gleichsam in den Untergrund klandestiner Aktionen. Bei niemandem, weder den Aktivisten der „letzten Generation“, noch bei den eher passiven Bürgerinnen und Bürgern darf der Eindruck entstehen, daß der Staat mehr gegen Menschen unternimmt, die gegen den Klimawandel protestieren, als gegen den Klimawandel selbst. Die Aktionsform der widerständigen Aktivisten ist dabei unerheblich. Auch bei zivilem Ungehorsam muß die Einschätzung vorgenommen werden, ob die Aktionsform die Bürgerinnen und Bürger aufklärt und mitnimmt auf den eingeschlagenen Weg oder sie eher abschreckt und in die Arme der Klimaleugner treibt. Für jeden gesellschaftlich aktiven Menschen stellen sich diese Abwägungsfragen unablässig. Ich halte die Aktionen der „letzten Generation“ nicht für besonders überzeugend. Einerlei: Die „letzte Generation“ ist keine kriminelle Vereinigung, kein Haufen von Terroristen. Es sind junge Menschen, die in der gegebenen Lage unsere Solidarität und Unterstützung brauchen.
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