Brauchen wir die Katholische Kirche?

VON WOLFGANG HORN

Nur noch acht Prozent der Bundesbürgerinnen und -bürger bekunden in einer Forsa-Umfrage Vertrauen in die katholischen Kirche. Beim Islam sind es sechs Prozent. Dieser Vertrauensverlust ist Vorbote weiterer Austrittswellen. Die katholische Kirche in Deutschland marginalisiert sich. An die Vertrauenswürdigkeit der evangelischen Kirche glauben immerhin noch 31 Prozent der Bevölkerung. Dabei haben die Menschen keine Schwierigkeiten mit ihrem Glauben, sondern mit der Institution. „Ja, man kann auch ohne die katholische Kirche Christ und Christin sein“, schreibt Inge Kloepfer, freie Journalistin sowie Buch- und Filmautorin im Newsletter Der Hauptstadtbrief von heute.

Im Zentrum der Kloepferlichen Kritik steht „das mittelalterliche Priesterbild mit dem Priester als ‚besserem’ Menschen – durch die Weihe vermeintlich Gott näher, woraus die Kirche fatalerweise nicht nur priesterliche Autorität ableitet, sondern ihm auch unzweifelhaft Kompetenz zuschreibt“. Das Priesterbild sei der grundlegende Systemfehler. Mit ihm werde die Kirche nicht zu retten sein.

Dabei, so Kloepfer weiter, sei der rapide Bedeutungsverlust einer Institution wie der katholischen Kirche alles andere als trivial, auch wenn es derzeit so scheine, als bräuchte man sie nicht mehr. Gesellschaften organisierten sich über Institutionen, und sie würden von ihnen zusammengehalten: über politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche, sportliche, kulturelle und eben religiöse, die, wenn sie gut funktionieren, viel mehr als soziale Organisationsvehikel sind. „Sie tragen alle zusammen das demokratische System, das auf Partizipation nicht verzichten kann.“ Irgendwo müssten Menschen eben auch zuhause sein. Das Potential dazu hätte auch weiterhin die katholische Kirche, denn sie hat auf der Basis des Neuen Testaments noch immer einen hochrelevanten Wertekanon anzubieten. Wenn die Ideologen an ihrer Spitze in Rom und teilweise hier in Deutschland nur endlich begriffen, dass weder priesterliche Überlegenheit noch das Zölibat und schon gar nicht die Diskriminierung etwa von Frauen, homosexueller oder wiederverheirateter Paare je Bestandteile christlicher Grundwerte waren.

In den hämischen Zeiten, in denen die Austrittszahlen das baldige Ende der mehrtausdendjährigen Institution katholische Kirche signalisieren, eben dieser Kirche eine große Bedeutung für die Sicherung des demokratischen Systems zu attestieren, scheint mutig zu sein, hat sich die Institution Kirche mit ihrem Vorgehen in der Mißbrauchsfrage doch um jede moralische Geltung gebracht und in der Frage der Behandlung von Frauen oder etwa Homosexuellen in der Kirchenhierarchie, scheint es, ihre Stimme selbst aus dem demokratischen Konzert genommen.

Institutionen sind auch Foren, schreibt Inge Kloepfer, „über die Menschen in einen friedlichen, geregelten Austausch treten können, und das nicht wie üblich in der Demokratie im Widerstreit, sondern auf Basis gemeinsamer Weltanschauung. Für das sozialen Überleben sind sie daher konstitutiv.“ On verra.

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