Ein Wort zum Montag, dem 6. März 2023
VON CORNELIA SENG
Mein kleiner Enkel Emil staunt über jeden Hund, der uns auf dem Weg zum Kindergarten begegnet, über jede Taube auf dem Marktplatz und über das leere Schneckenhaus im Garten. Doch wie wird aus dem Staunen über die Wunder der Natur Ehrfurcht vor dem Schöpfer?
Unter den Mails, die mich täglich erreichen, war auch ein Zitat von J.W. von Goethe: „Ehrfurcht ist das, worauf alles ankommt, damit der Mensch ein Mensch sei“. Macht erst Ehrfurcht menschlich? Führt mich das Staunen darüber, dass „ich wunderbar gemacht bin“ (Ps 139,14), zur Ehrfurcht?
Ehrfurcht sei „Hochachtung, Respekt vor der Würde, Erhabenheit einer Person, eines Wesens oder einer Sache“, erfahre ich aus dem Internet. „Ehrfurcht vor dem Leben“ war das Lebensmotto Albert Schweitzers. Fasziniert vom Geheimnis des Lebens sah er sich im Dienst von dessen Würde und Erhabenheit.
Aus Ehrfurcht hat Mose damals seine Schuhe ausgezogen am brennenden Dornbusch, aus Ehrfurcht vor dem lebendigen Gott. Ohne Ehrfurcht vor Gott wäre er wohl nicht losgezogen mit dem Volk Israel, auf den Weg in die Freiheit.
„Vater, nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe“, betet Jesus im Garten Gethsemane kurz vor seiner Gefangennahme (Lk 22,40). Danach geht er erhobenen Hauptes dem Leiden entgegen und stirbt am Kreuz. „Ecce homo!“ – „Seht, der Mensch!“ sagt der römische Hauptmann, der dabei stand, als er starb.
Ist es so, wie J.W. von Goethe sagt: Ehrfurcht macht menschlich? Wann und vor wem ziehen wir die Schuhe aus? Die Passionszeit gibt Raum, es auszuprobieren.