VON WOLFGANG HORN
Straßenverkehr, ja. Van Gogh, nein. Die letzte Generation, zu der ich bis vor ein paar Tagen eigentlich mich und meine Altersgenossinnen gezählt habe in dem Sinne, daß wir die letzte Generation sind, die den größten Teil ihres Lebens ohne die Folgen der Klimakrise zubringen durfte, die letzte Generation also kämpft einen Kampf mit ungewöhnlichen Mitteln, um auf die Klimakatastrophe aufmerksam zu machen, um wachzurütteln, um den geruhsamen Gang der Dinge direkt auf die Klimafolgen zu richten und Maßnahmen gegen die Klimakrise einzufordern und zu beschleunigen. Die letzte Generation ist die erste Generation, die die ganze Wucht der Klimafolgen zu spüren bekommen wird. Also kleben sich die Aktivisten auf Autofahrbahnen fest und behindern so den Verkehr. In der Rush-Hour und dort, wo die Autos sich ohnehin schon stauen. Und: Bilder großer Künstler, Gemälde von historischer und einmaliger kultureller Bedeutung werden mit Kartoffelbrei oder Tomatensauce beworfen, um …, ja, um was zu erreichen? Ganz ehrlich: so lange Piloten streiken dürfen und können, ohne sich um Ferienpläne oder Businessüberlegungen zu kümmern, so lange Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes oder etwa der Metallindustrie streiken und demonstrieren dürfen, ohne sich um den ungehinderten Verkehrsfluß sorgen oder den sogar garantieren zu müssen, so lange darf die letzte Generation und dürfen alle vorher für schnellere Klimakrisenbewältigung auch den Verkehr aufhalten und die öffentlich Ordnung beeinträchtigen. Ich frage mich aber weiterhin, ob zweckentfremdete Lebensmittel auf Werken von van Gogh oder anderen Künstlern geeignete Kampfinstrumente sind, sein können. Ganz ohne den Versuch, auch jene letztlich zu überzeugen, auch mit Druck, die sich, noch, einer entschiedenen Position gegen die Klimakrise enthalten, wird es nicht gehen können. Ob man solche Cluster erreichen kann, indem man unstrittige Kulturgüter schädigt oder gefährdet, wage ich zu bezweifeln. Ich fürchte, hier werden Nebenkriegsschauplätze aufgemacht, die von der Klimakrise ablenken, die sogar eher ein Potential für Schmähungen der Aktivisten bieten. Niemandem sollte daran gelegen sein, daß Klimaaktivisten leichter mit dem Label versehen werden können, ihr Kampf sei nicht ernsthaft oder zweckgerichtet. Straßenverkehr ja. Van Gogh nein. Besetzung öffentlicher Gebäude ja. Stürmung von Museen oder Konzerthallen nein. Demonstrationen vor und in Konzernzentralen ja. Störungen in Ateliers und Konzertsälen nein.