Wermelskirchenerin erhält spätes Denkmal als NS-Opfer

Zum Gedenken an die mutige Wermelskirchenerin Getrud Hartmann wird ihr am 23. September in ihrer Geburtsstadt Dresden ein Stolperstein gewidmet

VON T. Martin Krüger

Die Recherchen und Forschungen von T. Martin Krüger im Zusammenhang mit dem Schicksal der Zeugen Jehovas aus dem Bergischen und im Ruhrgebiet, das Forum Wermelskirchen berichtete, haben auch dazu geführt, dass am morgigen Freitag für Gertrud Hartmann, die die letzten 44 Jahre ihres Lebens in Wermelskirchen gewohnt hat, in ihrer Geburtsstadt Dresden ein Stolperstein verlegt wird. Daneben wird ein weiterer Stolperstein für ihren ersten Ehemann Wilhelm Nollert verlegt werden, der im Vernichtungslager Majdanek ums Leben kam.

In vielen Städten – auch in Wermelskirchen – sieht man sie beim Flanieren: kleine quaderförmige Gedenktafeln, sogenannte Stolpersteine, in den Boden eingelassen. Diese kleinen Erinnerungsmale aus Messing werden von dem Künstler Gunter Demnig genau an den Orten verlegt, an denen Menschen vor ihrer Flucht oder Verhaftung durch den Terror des Nationalsozialismus gelebt haben. Sie erinnern uns an deportierte und ermordete Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft, Lebensweise oder Überzeugung nicht in die menschenverachtende Ideologie der Nationalsozialisten passten. 

Gertrud Hartmann war eine davon. Aufgrund ihrer christlichen Überzeugung als Zeugin Jehovas lehnte sie jegliche Anpassung an die Vorgaben der NS ab und war insgesamt acht Jahre in verschiedenen Frauenkonzentrationslagern inhaftiert. Die letzten 44 Jahre ihres Lebens wohnte sie im Wiesenweg  5 in Wermelskirchen. Nur wenige kennen ihre Geschichte.

Die in Dresden geborene Friseurin geriet 1936 zusammen mit ihrem Mann Wilhelm Nollert, dessen Namen sie angenommen hatte, verstärkt ins Visier der SS. Da ihre Religion bereits 1933 reichsweit verboten wurde, hatten die beiden Zeugen Jehovas heimlich im Untergrund religiöse Schriften verbreitet, die unter anderem deutlich auf die Verbrechen der NS aufmerksam machten. Gertrud wurde am 30. Dezember 1936 von der Gestapo verhaftet und zwei Monate später zu 10 Monaten Zuchthaus verurteilt.

Nach Haftverbüßung wurde sie in „Schutzhaft“ genommen und in das KZ Moringen in der Nähe von Göttingen gebracht. Mitte 1937 waren 89% der Häftlinge dort Zeugen Jehovas. Im Folgejahr wurden sie alle in das KZ Lichtenburg nordöstlich von Leipzig deportiert. Weil sie sich weigerten, eine Führerrede im Radio anzuhören, wurden die Frauen im Oktober 1938 aus Feuerwehrschläuchen mit kaltem Wasser abgespritzt, worauf sie in der nassen Kleidung stundenlang in der Kälte stehen mussten.

1939 wurde Gertrud Nollert dann in das berüchtigte, mecklenburgische KZ Ravensbrück gebracht. Die Zeuginnen Jehovas dort weigerten sich aus Gewissensgründen, Munitionstäschchen für die Soldaten zu nähen, da sie den Krieg in keiner Weise unterstützen wollten. Als Strafe mussten sie leicht bekleidet fünf Tage lang sieben Stunden in der Dezemberkälte stehen und anschließend drei Wochen Dunkelarrest im Bunker ertragen. Über die Weihnachtstage erhielten sie keinerlei Nahrung. Gertrud magerte völlig ab und verlor 22 kg.

Wilhelm Nollert verlor 1944 im polnischen Vernichtungslager Majdanek sein Leben (Foto: Privatbesitz)

Sie überlebte die langen 102 Monate im KZ, doch ihren Mann Wilhelm sollte sie nie wiedersehen. Er war 1937 in das KZ Buchenwald gebracht und von dort 1942 nach Dachau überführt worden. Da er aufgrund einer Kriegsverletzung aus seiner Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg nicht arbeitstauglich war, wurde er 1944 in das Vernichtungslager im polnischen Majdanek deportiert, wo er kurz darauf starb. Als Todesursache wurde „Fleckfieber“ angegeben, was Gertrud zeitlebens anzweifelte.

Nach der Befreiung 1945 versuchte sie, in ihrer Heimatstadt Dresden wieder Fuß zu fassen, doch auch in der DDR suchte schon bald die Stasi nach ihr. Auf abenteuerlichem Weg gelang ihr 1951 die Flucht in den Westen, wo sie in Wermelskirchen eine neue Heimat fand. Im gleichen Jahr heiratete sie Gustav Hartmann. 1996 starb sie mit 90 Jahren in Wermelskirchen. 

Das Grab von Gertrud wird mittlerweile von der Glaubensgemeinde der Zeugen Jehovas in Wermelskirchen gepflegt und soll auch künftig zu ihrem Gedenken erhalten bleiben (Foto: Privatbesitz)

Am 23. September gedenkt die Stadt Dresden nun dem Ehepaar Nollert durch eine Stolpersteinverlegung vor ihrem damaligen Wohnhaus und einem Empfang im Stadtmuseum.

Beitragsfoto: Gertrud Nollert (hier im Jahr 1974) lebte nach ihrer KZ-Haft noch 44 Jahre in Wermelskirchen und heiratete dort Gustav Hartmann (Foto: Privatbesitz)

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • Katharina Wagnerkati
    • 24.09.22, 9:28 Uhr

    Ich finde das sehr traurig , waß Gertrud Hartmann angetan wurde, und es macht mich unheimlich traurig. Und das alles, nur weil sie Jehova von ganzem Herzen liebte und ihm treu sein wollte. Doch es ist so schön zu wissen , daß sie in Jehovas Gedächniss gut aufgehoben ist und er sie wieder zum Leben bringen wird in der Auferstehung.

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