MEINE DOCUMENTA – ist bald zu Ende

Ein Wort zum Montag, dem 19. September 2022

VON CORNELIA SENG

Vor dem ruruHaus, der zentralen Anlaufstelle der Documenta Fifteen, steht der Verkäufer des Straßenmagazins „Asphalt“. Er hat eine große Familie zu ernähren und nimmt gerne ein bisschen mehr als den aufgedruckten Preis. Von Beginn an hat die Documenta mit dem Straßenmagazin kooperiert: Die beteiligten Künstlerkollektive wurden zuerst im „Asphalt“ veröffentlicht und nicht in einem der Hochglanz-Kunst-Magazine. „Die trauen sich was!“, habe ich damals bewundernd gedacht.

Ich war gerne auf dieser Documenta unterwegs. Und habe die vielen Menschen in Kassel und den Besuch aus Bayern bis Ohio genossen.

Immer wieder habe ich die Ideen des Künstlers Dan Perjovschi aus Rumänien in der „Horizontalen Zeitung“ auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs bestaunt. Was ihm heute wieder eingefallen ist?

Das Kuratorenteam Ruangrupa hatte den Künstler:innen zur Aufgabe gemacht, nur darzustellen, was sie auch zu Hause machen. So habe ich gerne den „vietnamesischen Garten“ wie in Hanoi wachsen sehen und die Documentahalle durch den Tunnel aus Wellblech mit dem Straßenlärm aus Nairobi betreten. Über manche Projekte habe ich mich nachträglich im Internet informiert.

So über die Akteur:innen des „Wajukuu Art Projects“: In einem Slum am Rande der Hauptstadt Kenias vermitteln sie vor allem jungen Menschen Kenntnisse im Arbeiten mit Holz. Sie kümmern sich um Aufklärung und Empfängnisverhütung genauso wie um die tägliche Versorgung.

Über die Figuren aus Schrott im Lärm von Haiti in der Kirche im Osten von Kassel habe ich schon berichtet. „Trampoline House“ im „Hübner-Areal“ hat die unbarmherzige Flüchtlingspolitik von Dänemark an die Wand und auf den Boden gemalt.

Es sind nicht in jedem Fall Projekte aus dem „globalen Süden“, von denen ich auf dieser Documenta erfahren habe. Aber immer sind es Projekte, denen ich die Perspektive „von unten“ abspüre. Flüchtlinge kommen zu Wort, Straßenkinder, Menschen, die unter den Folgen der Kolonisation leiden, Aborigines, Roma, Benachteiligte. Es ist meist die Perspektive der Armen und der Bedrängten, der zu kurz Gekommenen. Menschen mit Wunden und Einschränkungen sind es. Sie kommen auf dieser Documenta „vor“, mit ihnen arbeiten die meisten der Künstlerkollektive in den Ländern ihrer Heimat.

Wie Jesus von Nazareth das fände? Wo stände er? Das brauche ich mich nicht ernsthaft zu fragen. Bei dem kath. Theologen Paul Zulehner habe ich den Satz gefunden: „Wer in Gott eintaucht, der taucht bei den Armen wieder auf“. Nachfolge Jesu Christi geht nur an der Seite der Armen.

Ich jedenfalls würde mich freuen, wenn diese Documenta noch lange weiterginge unter uns.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.