Ein Wort zum Montag, dem 5. September 2022
VON CORNELIA SENG
“Der Garten, ein Raum der Liebe und Vereinigung zwischen Christus und der Kirche, ist eine wichtige Inspirationsquelle für Dong”. Ich stutze. Auf dem Kirchentag hätte ich solch einen Satz erwartet, aber auf der Documenta fifteen in Kassel?
Der Garten als Raum der Liebe zwischen Christus und der Gemeinde ist ein altes Motiv in der Kunstgeschichte: Maria, die Mutter Jesu, sitzt in solch einem “Hortus conclusus”. Vom Buch “Hohelied” in der Bibel ist er inspiriert. Es handelt von einer sehnsuchtsvollen Liebe im nächtlichen Garten. Indem es auf die Liebe zwischen Christus und der Gemeinde gedeutet wurde, versuchte man, die Erotik in einem biblischen Buch zu vergeistigen.
Ich bin im WH 22, einem der zentralen Standorte der Documenta, in diesem “Liebesgarten”. Üppige Nutzpflanzen wachsen in Hochbeeten. Dazwischen stehen kleine Gebäude aus Holz. Auch einen Teich gibt es, darum herum einfach gezimmerte Sitzgelegenheiten. Frauen unterhalten sich bei einem Getränk. Das üppige Grün tut gut in diesem Sommer. Vom Künstlerkollektiv “Nha San Collective” und der Künstlerin Ouynh Dong wurde er gestaltet, parallel zu ihrem Heimatort in Vietnam, Hanoi am Roten Fluss. Es ist ein gemeinsam gestalteter Raum zum Essen, zum “gemeinsamen Abhängen” (eines der Prinzipien dieser Documenta !), zum Austausch von Ideen. Einfach ein Ort zum Leben miteinander.
Bis vor kurzem war ich in Kloster Jerichow an der Elbe. Hier haben seit dem 12. Jahrhundert Ordensleute gemeinsam gelebt. Und auch einen wunderschönen
Klostergarten angelegt. Auf der Documenta heute würde das
heißen: sie haben im Kollektiv einen Raum gestaltet. Und
haben damit weit in ihre Gesellschaft hineingewirkt. Die Idee des gemeinsamen Lebens hatten sie aus der Bibel. Von den ersten Christen heißt es: “Sie hatten alle Dinge gemeinsam” (Apg 2,44). Mehrere Jahrhunderte lang haben die Chorherren hier an der Elbe gelebt.
Die Idee des gemeinsamen Lebens und Gestaltens gibt es immer noch. Und hin und wieder wachsen neue Gemeinschaften. Die “Communauté de Taizé” seit 1940. In Köln gibt es seit 2009 die “Gemeinschaften von Jerusalem”. Und bei uns in Nordhessen die völlig säkulare “Fuchsmühle” in Waldkappel. Es sind junge Leute, die anders leben wollen. Nach anderen Prinzipen, in denen nicht das Geld regiert. “Für eine enkeltaugliche Zukunft”, sagen sie.
Ich finde das alles spannend! Und bewundere den Mut. Möge Gott Gelingen, eben seinen Segen geben.
“Jene Eingebung hat mich seit meiner Jugend wohl nie mehr verlassen: Ein Leben in Gemeinschaft kann ein Zeichen dafür sein, dass Gott Liebe und nur Liebe ist.” (Frère Roger, Taizé)
https://www.taize.fr/de_rubrique343.htm
https://online.jerusalemgemeinschaften..de
https://fuchsmühle.org