Kirchliche Trauung ohne kirchliche Mitgliedschaft?

Die kirchliche Trauung von Christian Lindner und Franca Lehfeldt bringt ein brenzliges Thema an die Oberfläche.

Inzwischen hat es wohl jeder mitbekommen; unser Finanzminister hat seine Frau auf Sylt auch kirchlich geehelicht. So weit, so gut. Als aktives Gemeindeglied unserer Kirchengemeinde freue ich mich über ein Paar, das sich den Segen des Herrn für die Beziehung erbittet.

Der bittere Geschmack im Mund lässt sich jedoch bei mir nicht runterspülen, wenn ich lese, dass beide Eheleute nicht der Kirche angehören. Dann lese ich, dass es gar die Aussage gegeben haben soll, beide sähen sich nicht als Christen und seien bewusst aus der Kirche ausgetreten.

Da sei mir doch die Frage erlaubt, wozu dann kirchlich heiraten? Was hat es mit der Zeremonie überhaupt auf sich und warum machen diese Christen da so ein Fass auf?

Der Christ an sich lebt in der Gewissheit (bestenfalls) oder doch in dem Glauben daran, dass Gott ein wachsames, wohlwollendes, aber auch kritisches Auge auf sein Tun und Lassen hat. Der Christ möchte Jesus nachfolgen – das hat Konsequenzen. Ich als Christin möchte meine Gaben in den Dienst der Kirche(ngemeinde) stellen und unterstütze damit auch die Arbeit unserer Kirchengemeinde.

Was tut denn so eine Kirche? Jede Menge. Das meiste Geld geht tatsächlich in die Arbeit mit Senioren, Kindern und seelsorgerliche Angebote. Von der Tagespflege der Diakonie über Wohngemeinschaften, Altenpflege bis zu den Kindergärten, der aktiven Jugendarbeit (wir in WK betreiben nicht nur 3 Kindergärten, auch 3 hauptamtliche Jugendreferenten zählen zu unserem Angebot), Lebensbegleitung (dazu gehören Besuchsdienst, Konfirmationen mit entsprechender Vorbereitung, Gottesdienst – auch Trauungen, Beerdigungen – uvm) ist einiges von den Kirchensteuergeldern zu bezahlen. Natürlich gehört auch das Betreiben und Instandhalten der entsprechenden Gebäude dazu.

Leitung und Verwaltung machen tatsächlich nur 12% der zur Verfügung stehen Gelder aus – alles andere geht quasi wieder zurück an die Mitglieder durch entsprechende Angebote.

Dass da ein leichter Unmut entsteht, wenn ein Paar eine Dienstleistung in Anspruch nimmt, ohne die Gemeinschaft und deren Arbeit zu unterstützen und damit zu zeigen, dass man hinter dem Konzept “Kirche” steht, sei erlaubt.

Eine kirchliche Trauung bedeutet für mich als Christin, dass man seine Beziehung vor Gott bringt. Dass man vor Ihm bezeugt, mit diesem Menschen ein gottgefälliges Leben führen zu wollen und dass man Gott bittet, diese Beziehung, diese Ehe zu segnen, zu begleiten, zu bewahren und behüten.

Wenn nun aber ein Paar, das sich als Nicht-Christen bezeichnet, eine kirchliche Trauung wünscht, stellt sich mir die Frage: warum?

Ich habe Verständnis für das romantische Ambiente; schöne Kirche, hübsche Kleider, beeindruckende Atmosphäre. Natürlich ist das toll. Aber dazu bedarf es keiner kirchlichen Trauung; es gibt tatsächlich Kirchen, die man anmieten kann und freie Redner, die für einen zeremoniellen Rahmen sorgen.

Für mich fühlt sich das an wie Mißbrauch. Für mich werden die Werte, die Ansprüche, das Wirken einer Glaubensgemeinschaft mit Füßen getreten, um es “hübsch” zu haben. Für mich ist das eine unfassbar egozentrische Aktion ohne Rücksicht auf die Menschen, die Monat für Monat das Wirken der Kirchengemeinschaft mit ihrer Kirchensteuer unterstützen; ohne Rücksicht auf die Menschen, die sich ehrenamtlich in den Kirchengemeinden einbringen; ohne Rücksicht auf die Gläubigen, denen eine Kirche mehr bedeutet als eine hübsche Trau-Location.

Wenn Herr Lindner und seine Frau tatsächlich ein geistliches Interesse an ihrer kirchlichen Trauung gehabt haben, so wäre es eine nahezu logische Konsequenz, der Kirchengemeinschaft (wieder) beizutreten und durch die regelmäßige Kirchensteuer für den Weiterbestand mit zu sorgen. Geschmerzt hätte das wohl beide nicht.

Kommentare (7) Schreibe einen Kommentar

    • Jessica B.
    • 11.07.22, 23:13 Uhr

    Hallo!
    Ich muss da voll und ganz recht geben. Entweder gehöre ich zur Kirchengemeinde oder nicht. Aber getraut werden wollen ohne kirchliches Zugehörigkeitsgefühl ist Heuchelei. Nur des Ambiente wegen ? Wir haben vor 15 Jahren geheiratet. Leider nur Standesamtlich. Wir haben keinen Termin passend zum Saal und Standesamt bekommen. Aber wir hatten trotzdem eine schöne weiße Hochzeit. Wollten die kirchliche Trauung immer nachgeholt haben. Allerdings ist unser Pfarrer dann in den Ruhestand getreten und seit dem ist es und nicht mehr so wichtig. Wir sind beide in der Kirche,
    gehen selbst aber nicht oft hin. Aber wir bleiben in der Kirche weil wir wissen das wir damit die Gemeinde unterstützen.
    Da sollten die Damen und Herren mal drüber nachdenken. Aber laut schreien, wenn dann Kinder kommen und es keinen Kitaplatz gibt. Ich bin nicht in ihrer Gemeinde aber fühle mich als Christin trotzdem angesprochen.

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  1. Ja soweit. Andererseits, wer weiß, wofür es gut ist? „Jönne könne“, ist doch auch Stärke der Jesus-Leute. Und: Ist es nicht alles Gnade?

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      • Andrea Sax
      • 12.07.22, 10:32 Uhr

      Ich gönne jedem den Zugang zu Gott und Jesus von ganzem Herzen ❤️. Mich erinnert die Lindner-Hochzeit an die Geschichte von Jesus und dem Zöllner. Witzigerweise hat auch Zachäus den Menschen das Geld aus den Taschen …. Und kannte Mittel und Wege, sein persönliches Wohl im Blick zu behalten… Aber davon ab war es Zachäus nicht nur wichtig, Jesus einmal sehen zu dürfen; er hatte seine Fehler schon erkannt und bereits vor der eindrücklichen Begegnung mit “Wiedergutmachung” begonnen. Im Falle der Eheleute Lindner wäre ein Wiedereintritt doch Mal ein Statement gewesen 😬

      Für Interessierte: die Zöllner – Story findet sich in der Bibel im Neuen Testament, Evangelium des Lukas, Kapitel 19, Verse 1-10 😘

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    • Heidbüchel
    • 12.07.22, 14:44 Uhr

    Was mich interessieren würde welche Institution die Erlaubnis zur kirchlichen Trauung gegeben hat…. ich nehme mal an die Kirche selber.

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      • Andrea Sax
      • 12.07.22, 14:54 Uhr

      Die evangelische Kirche ist in Bundesländer aufgeteilt. Zuständig ist in diesem Fall die Nordkirche. Das Kirchengesetzt besagt eindeutig, dass ein Ehepartner Mitglied in der Evangelischen Kirche sein muss.

      So schreibt es die Nordkirche auch selbst deutlich:

      https://www.nordkirche.de/dazugehoeren/trauung

      Wie es zu eine kirchlichen Trauung ohne Mitgliedschaft kommen konnte, würde mich auch sehr interessieren.

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        • Heidbüchel
        • 12.07.22, 19:38 Uhr

        Abgesehen davon muss es ja ein Kirchenvertreter abgesegnet haben. Hier kann man nur spekulieren.
        Schade nur für das Image der Kirche was dadurch nicht besser geworden ist und ein Indikator sind die Kirchenaustritte.
        Nur weiter so!!!!

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          • Andrea Sax
          • 12.07.22, 20:14 Uhr

          Kirchenaustritt macht es ja nicht besser. Statt Weglaufen und “nach mir die Sintflut” würde aktive Mitarbeit deutlich mehr Frucht bringen 😅. Veränderungen entstehen durch Menschen, sich für etwas einsetzen – nicht durch Resignation und Flucht🥺

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