Ein Wort zum Montag, dem 2. Mai 2022
VON CORNELIA SENG
„Das ist der Hentze von der Hentzestraße“, sage ich dem älteren Ehepaar vor dem Denkmal. Wir sind auf der Blumeninsel Siebenbergen im Staatspark Karlsaue in Kassel. Die Beete sind wunderbar gepflegt, der Pfau kreuzt den Weg. Wilhelm Hentze war im 19. Jhdt. lange Zeit als Gartenbaumeister für die kurfürstlichen Gärten zuständig.
Dass wir an diesem sonnigen Tag mehr als hundert Jahre nach seinem Tod die Spuren seiner Arbeit genießen, hätte er sich sicher nicht träumen lassen.
Ähnlich ist es mit den Bildern der Alten Meister in der Gemäldegalerie. Sie wurden vor mehreren hundert Jahren gemalt. Hätte zu Lebzeiten einer der Maler gedacht, dass ich sie heute bestaune und mich daran erfreue? Zu Lebzeiten ist Malerei meist eine brotlose Kunst. Die alten Maler haben wie Hentze auch einfach gelebt und getan, was ihnen wichtig war und was sie gerne getan haben. Erstaunlich wie präsent ihr Wirken heute noch für uns ist!
Jetzt habe ich wieder die alte orthodoxe Ikone der Osterzeit herausgeholt. Der auferstandene Christus zieht Adam und Eva, die ersten Menschen, exemplarisch für uns alle aus dem Grab. Das macht Ostern aus, dass die Auferstehung Jesu auch uns gilt!
Unter den alten Kirchenvätern hat man über die „Wiederbringung aller“ am Ende der Zeiten diskutiert. In einer langen Predigt erklärt der Apostel Petrus, was die erste Gemeinde zusammengeführt hat. „Ihn muss der Himmel aufnehmen bis zu der Zeit, in der alles wiedergebracht wird, wovon Gott geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten von Anbeginn“ (Apg 3,21). Alles wird einst wiedergebracht werden, kein gelebtes Leben ist verloren! Kein Tag, keine Minute unseres Lebens. Einst werden Adam und Eva „wiederhergestellt“. Und wir auch! Wie das aussehen wird, darüber haben sie häufig gestritten. „Ausmalen“ können wir uns das nicht.
Man muss es nicht zur Berühmtheit der alten Maler bringen, auch nicht zu den Leistungen von Wilhelm Hentze als Gartenbaumeister. Gott wird sich an jeden Tag unseres Lebens erinnern. Wir müssen uns nicht darum sorgen, ob wir Spuren im Leben hinterlassen. Es ist genug, an jedem Tag unseres Lebens vertrauensvoll, zuversichtlich und anständig zu leben, was uns aufgetragen ist.
Die „Wiederbringung aller“ ist ein spannender theologischer Gedanke. Heute auf der schönen Blumeninsel unter dem Denkmal für Wilhelm Hentze fällt es mir leicht, dem Gedanken der alten Kirchenväter zu folgen.