VON JOACHIM ZAPPE
An den Ostermontag 2022 wird sich Wermelskirchen noch lange erinnern. Nach dem letzten Ostermarsch, der im Stadtarchiv aus dem Jahre 1988 dokumentiert ist, wird die Neuauflage an diesem Montag mit Sicherheit in die Stadtgeschichte eingehen. Mehr als 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aller Altersklassen aus allen gesellschaftlichen, politischen und religiösen Gruppen versammelten sich auf dem Schwanenplatz. Darunter viele Flüchtlinge aus der Ukraine, die in Wermelskirchen Zuflucht gefunden haben. Ein buntes blau-gelbes Fahnenmeer, Friedensaufkleber, kleine und große Banner mit Botschaften, den Angriffskrieg, den Völkermord und die Kriegsverbrechen in der Ukraine zu beenden.
Armin Himmelrath bezieht sich in seiner Begrüßungsrede auf das Musikstück, dass der Posaunenchor gerade dargeboten hat. „We shall overcome“, ein Protestlied der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, das über die Hoffnung und das Hinwegkommen von Unterdrückung und Ungerechtigkeit, über Rassismus und über den Unfrieden spricht und eine gewisse Hilflosigkeit ausdrückt. Himmelrath dazu: „Dass wir heute hier stehen, mit so vielen Menschen gemeinsam ein Zeichen gegen Krieg und Gewalt setzen, das löst auch meine persönliche Hilflosigkeit ein wenig auf. Das erlaubt uns, unser Entsetzen angesichts der Bilder aus Mariupol und Butscha, aus Kiew und Lviv, aus Charkiv und dem Donbass in Handeln umzusetzten. Was wir heute auf diesem Ostermarsch gleichzeitig erleben und aussenden, ist ein starkes Zeichen der Solidarität“. Besonders streicht der Wermelskirchener Bildungsjournalist die Willkommenskultur der „Kleinstadt mit Herz“ heraus und würdigt die „großartige“ Arbeit des Vereins „Willkommen in Wermelskirchen“, der sich mittlerweile um weit über 300 ukrainische Flüchtlinge kümmere.
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Auch zu der „schrillen Debatte“, die sich gegen Ostermärsche richtet, diese als „Fünfte Kolonne Moskaus“ disqualifiziere und damit der Ukraine in den Rücken falle, findet Armin Himmelrath klare Worte. „Um das mal klar zu sagen: Das ist wirklich völliger Blödsinn! Wir sind heute hier, um genau das zu zeigen: Solidarität mit den Opfern von Krieg und Gewalt! Solidarität mit den Menschen in der Ukraine! Wir zeigen, dass Zivilgesellschaft funktioniert und dass wir uns bei den elementaren Fragen des Miteinanderlebens nicht spalten lassen. Wir gehen auf die Straße, gegen die Gewalt und den Krieg und für den Frieden!“
Unter den Augen vieler Zaungäste an den Straßenrändern setzen sich die Ostermarschierinnen und marschierer über die Hohe Straße, den Schwanen über die Eich und Telegrafenstraße zum Rathaus in Bewegung. Eine solche Demonstrationsgruppe gab es wahrscheinlich noch nie in Wermelskirchen.
Norbert Galonska begrüßt die Ostermarschiererinnen und –marschierer nicht nur als stellvertretender Bürgermeister. Er ist auch Zeitzeuge und kann deshalb einen fundierten Rückblick auf die Geschichte der Ostermarschbewegung geben. Er erinnert an die Protestbewegungen zur Einführung der Bundeswehr in den 1950er Jahren, die Demonstrationen im Rahmen des NATO-Doppelbeschluss von 1979 und an die Proteste 1981 und 1983, wo in Bonn über 300 000 und 500 000 Demonstranten zusammen kamen, um gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen auf deutschen Boden zu protestieren. Norbert Galonska erinnerte auch an den Vietnamkrieg. Das Ergebnis damals: ein zerbombtes Vietnam, Millionen Tote, 55 000 tote amerikanische Soldaten und ein letzlich doch wiedervereinigtes Vietnam. Der stellvertretende Bürgermeister dazu: „Putin könnte daraus lernen, dass man ein Land zwar mit Waffen zerstören und viele Menschen töten kann, dass man aber ein einiges Volk nicht für immer unterdrücken und beherrschen kann“.
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Nach dem offiziellen Ende des Ostermarsches am Rathaus marschierte ein Großteil der Teilnehmer ins Eifgen. Auf der Bühne im Biergarten des Hauses Eifgen stellte Armin Himmelrath die ukrainisch-russische Musikgruppe „The good, the bad, the Geiger“ vor, die mit ihrer Musik für Projekte mit Kindern in der Ukraine Geld sammeln.
Vor dem musikalischen Ausklang des Wermelskirchener Ostermarsches wandte sich Pfarrer Manfred Jetter von der evangelischen Kirchengemeinde mit einem weiteren Friedensappell an die Zuhörer. „Es geht darum, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden, damit sich ein Fenster wieder öffnen kann, für die Sprache des Friedens“. Jetter konstatierte, dass mit dem Krieg in der Ukraine unser Weltbild ins Wanken gekommen sei. „ Es scheint mir heute aber unmöglich, einen radikalen Pazifismus, einen radikalen Verzicht auf Gewalt den freiheitskämpfenden Ukrainern zu predigen. Die neue Kriegs- und Bedrohungssituation in Europa hat auch in mir ein Umdenken ausgelöst. Friede und Freiheit gibt es auch für uns nicht mehr gratis“…. „Schuldig werden wir auf jeden Fall: entweder durch unterlassene Hilfeleistung – oder in Folge von Waffenlieferungen“.
Ein denkwürdiger Tag in Wermelskirchen geht zu Ende. Den vielen Helferinnen und Helfern hinter den Initiatoren Thomas Wintgen und Armin Himmelrath, dem Deutschen Roten Kreuz und der Polizei sei gedankt für eine äußerst professionelle und reibungslose Organisation.