VON WOLFGANG HORN
„Was sollen sie machen? Beten?“ Mit sie waren die Vietnamesen gemeint, die Vietcong, aus dem Norden des zweigeteilten Landes, im Krieg mit der militärischen Großmacht USA. Das war so etwas wie eine Standardantwort damals, in den sechziger und siebziger Jahren, als der Vietnamkrieg Nucleus wurde für die Politisierung einer ganzen Generation.
Der Pazifismus, die Ablehnung des Krieges, jeglicher Kriege, eine natürliche Haltung infolge zunehmenden Wissens über das Verbrechen des Zweiten Weltkrieges, geboren auch in der Auseinandersetzung mit den an Krieg und Verbrechen beteiligten Vätern und Großvätern, erfuhr die erste Relativierung. Krieg war nicht mehr nur Krieg und schlechthin von Übel. Krieg konnte Aggression sein, Überfall, Unterjochung. Oder Befreiung, gerecht sein, ein Volkskrieg gegen Usurpatoren oder Okkupanten. Der Pazifismus war also nicht ungebrochen Leitidee der damals jungen Generation, in den frühen Siebzigern, in meinen Zwanzigern. Der Befreiungskrieg der Völker gegen Nazideutschland war gerecht. Wie der Krieg der Vietnamesen gegen die Kolonialmacht Frankreich und dann die USA auch.
Die frühe Ostermarschbewegung in Deutschland und später die Friedensbewegung mit ihren machtvollen Manifestationen waren nicht ungeteilt-gnadenlos pazifistisch. Immer auch gab es Verständnis für Befreiungsbewegungen und ihren teils bewaffneten, militärischen Kampf gegen Besatzer und Aggressoren. Auf Ostermärschen trat man für Abrüstung ein, gegen Atombewaffnung, für Frieden. Aber nicht dafür, sich gegebenenfalls abschlachten zu lassen. Nicht für Unterjochung, nicht für Verfolgung, nicht für das Recht der militärischen Macht. Sondern für die Macht des Rechts und der Zivilität.
In diese Tradition reiht sich auch der nach vielen Jahren erste Ostermarsch in Wermelskirchen ein. Wir treten für den Frieden in Europa ein, für die sofortige Beendigung des Krieges Rußlands gegen die Ukraine. Und so werden morgen um 15 Uhr vom Schwanenplatz aus Pazifisten neben und gemeinsam mit jenen, die für Waffenlieferungen an die Ukraine zur Verteidigung ihres Landes sind, für den Frieden demonstrieren. Menschen, die aus Rußland stammen, Seite an Seite mit jenen, deren Heimat die Ukraine ist. In einer Reihe mit Flüchtlingen aus Afghanistan, Syrien oder Bangladesch. Und Dellmännern und Dellmannsfrauen. Sie alle, gleich, welchen Glaubens sie sind, welchen Alters, welcher Herkunft, welcher politischer Überzeugung im einzelnen eint der Wunsch nach Frieden. In ganz Europa, in der ganzen Welt.
Das ist die Antwort der friedlich-zivilen Gesellschaft gegen die Barbarei kriegslüsterner Imperialisten. Mit der Beteiligung am Ostermarsch machen wir deutlich, daß in unserer Stadt, in unserer Region kein Platz ist für Putinversteher, für Fake-News-Verbreiter, für politische Lügengebäude und entstellende Zurichtungen der Wahrheit. Wir sind für den Frieden in Europa, für die sofortige Beendigung des Krieges in der Ukraine, für Hilfe für die geschundenen Menschen dort und die aus dem Land geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainer hier bei uns in Wermelskirchen.
