VON WOLFGANG HORN
In der Karwoche, der christlichen Klage- und Trauerwoche, gibt es jeden Grund, in Wermelskirchen in eine weltliche, in eine gesellschaftlich-politische Klage einzustimmen. Binnen ganz kurzer Zeit, binnen nicht einmal drei Wochen haben Politik und Stadtverwaltung traurig stimmende Fakten geschaffen. Die zu gründende Gesamtschule soll den denkbar schlechtesten Standort in Wermelskirchen erhalten, das in die Jahre wie auch runter gekommene Gelände der ehemaligen Hauptschule, samt des Sammelsuriums von Containern und Verbindungsgängen zwischen Gebäudeteilen. Wie das erforderliche moderne Raumkonzept einer modernen Schulform dort gewährleistet werden kann, wie die neue Schule unter diesen Umständen für Schüler, Lehrer und Eltern so attraktiv gestaltet werden kann, daß die Kinder nicht mehr in Schulen in den Nachbarstädten angemeldet werden, weiß, ehrlich gesagt, in der Stadt niemand. Die Verantwortlichen wollen es auch nicht wissen. Sie interessiert allenfalls, daß mit diesem Standort zunächst einmal die Kosten als geringer dargestellt werden können als bei einem Neubau. Diese neue Schule aber hat einen zeitlichen Horizont von vierzig, fünfzig Jahren, nicht von einer oder nur zwei Legislaturperioden. Schlimmer noch ergeht es ganz aktuell der Musikschule. Sollten die städtischen Zuschüsse nicht alsbald erhöht werden, wird dieses kulturelle Kleinod in der Stadt binnen zweier Jahre die Segel streichen müssen. Es geht nicht um Millionenbeträge, es geht um ein paar Zehntausend Euro. Das sollte der Verwaltung, sollte den Parteien die formidable Möglichkeit von musischer Bildung, wie sie die hiesige Musikschule bietet, allemal wert sein. Eine Schule, die auch Kindern von sozial benachteiligten Eltern Musikunterricht und das Erlernen eines Instruments möglich macht, die Kooperationen mit Schulen und Kindergärten unterhält, ist ein wesentlicher sogenannter „weicher“ Standortfaktor. So, wie eine funktionierende und differenzierte Schul- und Bildungslandschaft in der Stadt. Wie sollen denn die vielen jungen Familien und Eltern dazu bewogen werden, nach Wermelskirchen umzuziehen? Wo sollen denn die von FDP, CDU oder Freien Wählern als Zielmarke beschworenen 40.000 Einwohner herkommen, wenn es keine oder kaum ausreichende Sozialwohnungen in der Stadt gibt, wenn die Gesamtschule lieblos und stiefmütterlich behandelt wird, wenn die Musikschule an Beträgen scheitern sollte, die andernorts mit Begeisterung gezahlt würden für eine vergleichbare und vergleichbar soziale Einrichtung? Die kommunale Politik erweist sich, leider, als sehr kurzsichtig, als zu kurzsichtig. Bei aller gebotenen Vorsicht angesichts der angespannten Haushaltslage dürfen Entscheidungen, bei denen es um die mittel- bis langfristige Zukunft und die großen Entwicklungslinien der Stadt geht, nicht gleichsam von allenfalls kurzatmigen Überlegungen und Tellerrandhorizonten aus getroffen werden.