Ein Wort zum Montag, dem 11. April 2022
VON CORNELIA SENG
Jesus betet im Garten Gethsemane. Mein Blick fällt auf das bunte Bild. Wir sind in Wahlhausen, in der kleinen, ringsum bemalten Kirche an der Werra. Es ist Passionszeit. Wie passend, dass ich gerade hier sitze! Im Vordergrund des Bildes sind die schlafenden Jünger zu sehen. Weiter hinten Jesus, der in Angst vor dem bevorstehenden Tod Blut schwitzt. Wir sehen den Engel, der kommt und ihn stärkt. Und wir wissen, wie die Geschichte ausgeht: Erhobenen Hauptes geht Jesus den Soldaten entgegen. Er geht dem Tod entgegen. Dem Tod für uns! Jesus ist „für uns“ gestorben – das ist das grundlegende Bekenntnis der Christenheit.
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Für uns? Einmal … war ich im Gespräch mit Mohammed, einem jungen, sehr ernsthaften Muslim. Ich habe versucht, ihm meinen Glauben zu erklären. Was es mir bedeutet, dass Jesus f ü r m i c h gestorben ist. – „Das geht nicht“, sagt Mohammed leise, „niemand kann für einen anderen sterben. Niemand kann einem Schuld abnehmen“. Das scheint logisch und einleuchtend. Und ich habe Mühe zu erklären, was ich glaube.
„Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren“, schreibt der Apostel Paulus (Rö 5,8). Was mir das bedeutet?
Nun – ich bin nicht Kain, der Brudermörder. Und auch nicht König David, der an der schönen Bathseba schuldig wurde. Aber auch mir fallen viele Situationen im Leben ein, über die ich nicht schreiben werde. Wenn ich darüber nachdenke, kommt mir das Lied aus Jugendtagen in den Sinn: „Ich rede, wenn ich schweigen sollte, und wenn ich etwas sagen sollte, dann bin ich plötzlich stumm, dann bin ich plötzlich stumm.“ Je älter ich werde, desto länger scheint die Liste dieser verpatzten Situationen zu sein.
Mein Lebensstil ist sicher nicht üppig. Und doch geht mein Wohlstand auf Kosten anderer Menschen. Nicht nur jetzt, während des russischen Überfalls auf die Ukraine, fällt mir das auf. Wer hat die Hose genäht, die ich mir kürzlich geleistet habe? Und wer hat die Seltenen-Erd-Metalle in den Batterien gefördert, die ich nutze? Ich bin verstrickt in ein System, das von der Armut und dem Unrecht in anderen Ländern profitiert.
Ich brauche den Karfreitag. Die Erinnerung an den Erweis der Liebe Gottes; den Erweis, dass Gott auch die dunklen Seiten meiner Lebensgeschichte aushält. Jesus hat seinen Kopf hingehalten für mich, für uns. Auch vor meinem Versagen brauche ich die Augen nicht zu verschließen. Gott hat das ausgehalten. Das sagt mir der Tod Jesu am Kreuz. Das hält mich im Leben. Es ist schwer zu erklären, ich weiß es. Aber ist das mit der Liebe nicht immer so? Eine besinnliche Karwoche wünsche ich allen.