Trauerspiel

VON WOLFGANG HORN

Der Umgang von Verwaltung und Politik in Wermelskirchen mit der allerwichtigsten Einrichtung einer demokratischen Gesellschaft ist ein bloßes Trauerspiel. Es geht um die Lage der Schulen in der Kleinstadt. Die einstige Vorzeigehauptschule scheiterte an unzureichenden Anmeldeldezahlen. Das hätte allen Verantwortlichen der Fingerzeig darauf sein müssen, daß das Ende des dreigliedrigen Schulsystems erreicht ist. Was womöglich in die hermetisch gegliederte Welt des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gepaßt hatte, erweist sich als untauglich für eine moderne, offene und sozial durchlässige, auf allen Ebenen vernetzte, technologisch vollkommen veränderte und globalisierte Gesellschaft von heute.

Die Realschule, asbestverseucht, war dann ebenfalls nicht mehr zu halten. Die neue Schule ist eine Sekundarschule. Eine abgespeckte Gesamtschule ohne Oberstufe, so daß die Kooperation mit dem örtlichen Gymnasium verpflichtend ist, soweit es um das Schulziel des Abiturs geht. Eine Schule mit einem ambitionierten pädagogischen Konzept, mit hochmotiviertem Lehrpersonal. Diesen hohen Ansprüchen entspricht die Behandlung durch Politik und Verwaltung indes nicht. Die Schule wird gebaut, ständig umgebaut, das Raumkonzept niemals auch nur annähernd verwirklicht, die Schüler und Klassen ziehen um, beständig. Nichts, auf das sich Lehrer, Schüler und Eltern hätten jemals wirklich verlassen können. Eine Kompromißschulform, die den Schulfrieden sichern und die Position des städtischen Gymnasiums nicht tangieren sollte. Sozusagen nur eine heimliche Gesamtschule. So heimlich, daß viele Eltern, die ihre Kinder gerne auf einer Gesamtschule lernen sähen, den Nachwuchs anderswo unterbringen, beispielsweise auf Realschulen in Nachbargemeinden.

So klar ist das nämlich niemals irgendwo zu lesen gewesen, dass die Sekundarschule der Mittelstufe einer Gesamtschule entspricht und das pädagogische Konzept nicht an den Vorstellungen eines Gymnasiums orientiert ist. Hier soll nicht der soziale Status der Eltern den Schulerfolg der Kinder sichern. Vielmehr lernen die Kinder gemeinsam, solche aus unterschiedlichen sozialen Herkünften oder unterschiedlicher Ethnien, solche mit unterschiedlichen Lernvermögen, die Gesamtschule ist sozusagen die Schule der Inklusion. Die neue Schule aber wird erneut schlecht behandelt, was ihren Ort betrifft, den Bau und Umbau, und ihre Möglichkeiten und Perspektiven. Es gibt kein flammendes Plädoyer für die Schule und ihre Stärkung aus der Politik, aus der Verwaltung.

Sie kommt ins Gerede, als (vor der Kommunalwahl) die Anmeldezahlen nachlassen und die Kinder auf Schulen in der Nachbarschaft angemeldet werden. Jetzt wird eine vollkommen verkürzte Debatte eingeleitet. Es ist Wahlkampf. Es geht nicht mehr um die Bedeutung der Schule und ihre Vorzüge, ihre Konzepte. Es geht um Zahlen, um Geld, um Standorte. Nichts ist mehr sicher, kein Stein der Schulplanung bleibt auf dem anderen, alles wird zerredet. Das Ende vom Lied: Die Sekundarschule hat ausgedient. Die Schule, die niemals auch nur den Hauch der Chance hatte, sich in Wermelskirchen zu etablieren und zu beweisen, weil sie von Politik und Verwaltung allenfalls halbherzig unterstützt wurde, wird abgewickelt. Die dritte Schule in Folge in Wermelskirchen. Hauptschule, Realschule, Sekundarschule – alle abgewickelt. Unrühmlich.

Mit der erneuten Schuldebatte passiert, was man vor der Diskreditierung der Sekundarschule bereits hätte vermuten können, was aber dennoch allenfalls ein Flachwitz aus der Bildungsgeschichte ist: Im 21. Jahrhundert wärmt die CDU in der Stadt das gegliederte Schulsystem wieder auf und plädiert für eine Realschule. Eine ideologische Position aus längst vergangenen Tagen der Vormoderne. Hat die Partei wirklich nicht mitbekommen, wie sich die pädagogische und bildungspolitische Debatte verändert hat? Unfaßbar. Gottlob hat sich die Mehrheit des Rates gegen die CDU für eine Gesamtschule ausgesprochen.

Doch: Die neue Schule wird neu gegründet. Das bedeutet, daß die Sekundarschule ausläuft. Lehrern, Schülern und Eltern werden so die allerletzten Sicherheiten noch genommen. Die Pädagogen werden nicht übernommen, sondern müssen sich neu bewerben. Das ist sozusagen der allerletzte Mißtrauensbeweis gegen die Leitung und das Personal der Schule. Und: Als Standort für die neu zu gründende Gesamtschule wird die ehemalige Hauptschule festgelegt. Die Gründe: ein immer mal wieder neu akzentuiertes Amalgam von finanziellen Erwägungen, Raumplanungen, Schätzungen von zu erwartenden Schülerzahlen, erforderlichen Sportstätten undsoweiter. Immer wieder durchgewürfelt, immer wieder neu präsentiert. Der Standort der ehemaligen Realschule ist plötzlich zu klein für die neue Schule, das nicht mehr durchschaubare Durch- und Nebeneinander von Gebäuden, Containern, Plätzen, Anbauten, Gängen an der Wirtsmühler Straße entpuppt sich als „idealer Standort“ für die neue Schule. Verwaltungstechnische Hexenmeisterei. Ein Trauerspiel. Eine einzige Anmaßung. Die Schullandschaft einer Stadt ist das entscheidende Kriterium dafür, daß die Stadt interessant wird für den Zuzug junger Familien. Wenn die Kinder für ihren Bildungserfolg in die besser bestückten Schulen der Nachbarschaft ausweichen, wird es nichts werden mit der Absicht, eben diese jungen Familien, die Menschen mit Zukunft vermehrt in der Stadt anzusiedeln. Wie hieß das früher im Volksmund? Schuster, bleib bei Deinem Leisten. Heißt übersetzt: Kümmere Dich um das, wovon Du Kenntnis hast. Volksmund eben.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.