Ein Wort zum Montag, dem 28. März 2022
VON CORNELIA SENG
Draußen wärmt schon die Sonne. Doch in der kleinen Kirche ist es noch kalt. Wir sind in Wahlhausen in Thüringen, dicht an der Werra. Uns wurde gesagt, dass die Bemalung in dieser Kirche besonders gelungen sei. Tatsächlich! Viele biblische Geschichten sind auf die Brüstung der zwei Emporen gemalt, ringsherum. Zwischen den Bildern steht in alter Schrift, um welche Geschichte es sich handelt. Auf der unteren Empore die Geschichten von Jesus, darüber die aus dem Alten Testament. Es ist als säße ich mittendrin in der Bibel. Mitten in diesen Geschichten mit meiner kleinen Lebens-Geschichte!
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Wollte das der Maler sagen: „Hier gehört Ihr hin – mitten in die Bibel“? Es soll der Dorfschullehrer gewesen sein. Um 1775 malte er die Bilder. Wollte er damit sagen: „Euer Leben ist umgeben von der ganzen Geschichte Gottes. Von Adam und Eva bis Pfingsten und noch darüber hinaus“? Auch für einige Kirchenväter, selbst für Martin Luther hat er noch einen Platz gefunden in der kleinen Kirche.
Spielt das eine Rolle für mich, wo ich im Leben „sitze“? Ich denke: Ja!
Schon als Kind habe ich die Kinderbibel von Anne de Vries gelesen. Die Geschichten der Bibel haben mich mein ganzes Leben lang begleitet. Bis heute. Es ist die Geschichte, wie Gott sein Volk in die Freiheit führt und dabei dem despotischen Herrscher die Stirn bietet. Es ist die Geschichte, wie Mose die Zehn Geboten empfängt. Gott führt sein Volk! Und es ist auch die Geschichte, wie das Volk Israel immer wieder den Glauben an Gott verliert und doch von Gott nicht aufgegeben wird. Aber es ist vor allem die Geschichte Jesu. In ihm ist Gott selbst Mensch geworden und hat gezeigt, wie das Leben geht. Auch im Leiden. Das alles hat der Dorfschullehrer gemalt.
Seitdem sind fast zweihundertundfünfzig Jahre vergangen. Das sind etwa zehn Generationen, die inmitten der Bilder gesessen haben. Für kaum eine davon wird das Leben so rund und glatt gewesen sein, wie meines bisher verlief. In Freiheit und in Frieden. Kommt jetzt eine andere Zeit? Manche sprechen von einer „Zeitenwende“. Und sie meinen, dass die Welt unsicherer, weniger berechenbar geworden ist.
Worauf ist Verlass? An diesem Sonntag kann ich es sehen. Der alte Dorfschullehrer hat es mir buchstäblich vor Augen gemalt. Es ist die Geschichte Gottes mit der Welt und mit uns Menschen.
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Gott hat seine Welt nicht aufgegeben. Verlass ist auf Gottes Barmherzigkeit und auf seine Geduld. Seine Liebe zu uns Menschen. Es gibt nicht nur das Leid, es gibt auch den Trost. Es gibt nicht nur Unbarmherzigkeit, es gibt auch Barmherzigkeit. Es gibt nicht nur das Grauen des Todes, es gibt auch das Leben. Es gibt Ostern, den Geist Gottes. Es gibt das Reich Gottes. Auch in der Ukraine.
„Wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, das beim Vater war und uns erschienen ist.“ (1.Joh 1,2). Der alte Dorfschullehrer hat das großartig verstanden.
PS: Die Bilder von dem alten Dorfschullehrer sind ganz großartig erklärt in den Büchlein von Johannes Beisheim: „Wie Josef errettet wird“ und „Wie zu Kana Hochzeit gefeiert wird“. Sie sind noch in der Kirche erhältlich und im Handel. J. Beisheim verdanken wir den Hinweis auf diese schöne Kirche.
Fotos © Cornelia Seng