Lehrstunde in Demut

VON KATHRIN KELLERMANN

Meine Lehrstunde in Demut: Heute morgen um 5.30 Uhr kam der Bus mit 35 Geflüchteten aus der Ukraine in Wermelskirchen an. Es war noch dunkel, als die Menschen aus dem Bus stiegen. Sehr ruhig. Sehr still. Darauf bedacht, die eilig zusammengepackten Tüten mit ihren wenigen Habseligkeiten aus dem Gepäckfach zu holen. Mütter, kleine Kinder, ältere und gebrechliche Frauen, ein alter Mann, der leise darum bat, seinen Sohn, der im Rollstuhl sitzt, aus dem Bus zu tragen. 

Kaum etwas hat mich je zuvor so bewegt, so berührt und letztlich auch so um die Fassung gebracht wie diese Menschen, die alles zurückgelassen haben, was für sie Zuhause ist. Die alles zurücklassen mussten. Die in einen Bus gestiegen sind, ohne zu wissen, was auf sie zukommt. In einem Land, in dem sie niemanden verstehen. Ein kleiner Junge hatte seine Katze dabei. Ohne sie wollte er nicht seine Heimat verlassen. Heute morgen ist er mit 34 anderen Geflüchteten aus dem Bus durch die Dunkelheit zu einer roten Tür in ein Gemeindehaus gegangen. Zum Frühstück mit Brötchen, Muffins mit ukrainischer Flagge und Kuchen mit Peace Zeichen aus Gummibärchen. Seid willkommen, wir kümmern uns um euch, haben die Dolmetscher übersetzt. Und sie haben Wort gehalten: Für alle Geflüchteten wurde ein Zuhause in Privatunterkünften! in der Stadt gefunden. Oder wie es Jörg Musaeus sagte: „Sieben Menschen haben spontan unsere Familie vergrößert.“ 

Ich falle auf die Knie vor dieser Hilfsbereitschaft. Mein Respekt wächst und mein Herz platzt für die Initiative Willkommen in Wermelskirchen, für die Stadt und die Tafel, die es möglich machen, dass in der Dunkelheit vor einem Bus ein Hoffnungsschimmer erscheint…

Gestern habe ich kurz über die Benzinpreise genölt. Heute bin ich klein und demütig.

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • Petra+Weber
    • 12.03.22, 21:02 Uhr

    Danke für diese Stellungnahme!
    Und Danke an Willkommen in Wermelskirchen und die anderen Beteiligten!
    Demut ist eine lange nicht für nötig empfundene Einstellung, aber dieser Tage wichtig. Vor der Schöpfung und auch in Relation des eigenen Wohlstands gegenüber dem Mangel-aber-sich-damit-abfinden anderer und überhaupt. Dankbarkeit auch – für das, was man selber hat.

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