VON JOACHIM ZAPPE
In der Fahrradwerkstatt in der Luisenstraße wird man dieser Tage sicherlich einmal kurz anstoßen oder sich ein Stück Kuchen zum Kaffee gönnen. Grund dazu gibt es, denn die unter dem Dach von „Willkommen in Wermelskirchen“ gegründete Initiative besteht in diesen Tagen fünf Jahre. In der ehemaligen Bäckerei Epking gibt es seit 2017 einen kleinen Reparatur- und Schulungsraum, sowie ein Lager für die fertig reparierten Fahrräder. Alle Räumlichkeiten sind derzeit so proppenvoll, dass man sich kaum noch bewegen kann. Knapp 40 Fahrräder, darunter 10 Kinderräder, warten auf Abnehmer. Und so traurig es ist, für die Versorgung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine wäre man in Wermelskirchen – anders als 2015 – gut gerüstet. “Willkommen in Wermelskirchen” ist gerade jetzt dabei, Kriegsflüchtlinge per Bus in die “Kleinstadt mit Herz” zu holen. Fahrräder aus der Luisenstraße könnten für diese Menschen einen gewißen Grad an Mobilität ausmachen.
Die riesige Nachfrage von Geflüchteten und Bedürftigen nach fahrbaren Untersätzen hat dabei spürbar nachgelassen. Stand man einst vor der Werkstatt Schlange, so sind es heute nur noch wenige, die nach einem Fahrrad fragen. Einerseits ist eine gewisse Grundversorgung in Wermelskirchen eingetreten, andererseits hat auch Corona dafür gesorgt, dass der persönliche Kontakt und Andrang in der Werkstatt zurückgegangen ist. Die ehrenamtlichen Schrauber haben in den letzten beiden Jahren so gut es ging, Corona-konform, weitergearbeitet, da es genug Radspenden gab und gibt. Viele Wermelskirchener sind die letzten beiden Jahre auf neue (E) –Bikes umgestiegen und stellten der Fahrradwerkstatt ihre älteren und teilweise neuwertigen Räder für den guten Zweck zur Verfügung.
Über 350 Fahrräder, so hat der Leiter der Fahrradwerkstatt, Peter Kirchertz, ermittelt, wurden in den letzten fünf Jahren in Wermelskirchen ausgegeben. Zuvor, von 2015 bis 2017, hatte der Dabringhausener Herbert Hüninghaus auf dem Pro-Vita-Firmengelände in Dabringhausen die erste Fahrradwerkstatt gegründet und in dieser Zeit 160 geflüchtete Menschen mit Fahrrädern versorgt. Maßgeblich war Hüninghaus auch am Aufbau der Wermelskirchener Werkstatt mit beteiligt und konnte seine Erfahrungen aus Gründerzeit verbuden mit wertvollen Hilfestellungen für die Wermelskirchener Ehrenamtlicher einbringen. Auch wenn er heute einen „mobilen Fahrradservie“ mit Hol- und Bringservice in Eigenregie betreibt, steht er der Wermelskirchener Fahrradwerkstatt weiterhin mit Rat und Tat zur Verfügung.
Zum harten Kern der Fahrradwerkstatt gehören neben Peter Kirchertz, der von seinen Mitstreitern liebevoll „Vorarbeiter“ betitelt wird, Klaus Wedemeyer, Peter Schneider, Manfred Arndt, Karl Vöhringer und Joachim Zappe. Ramin Delghani hält der Fahrradwerkstatt ebenfalls seit Jahren die Treue. Er, der einst selbst aus dem Iran flüchtete, arbeitet mittlerweile professionell in der Werkstatt des Fahrradhauses Lambeck und ist dabei ein gutes Beispiel für gelungene Integration. Montags und samstags hält er in der Luisenstrasse so eine Art „Stallwache“.
In der Fahrradwerkstatt hofft man nun, dass sich in den nächsten Wochen die Räumlichkeiten in der Luisenstraße durch eine verstärkte Nachfrage nach Fahrrädern wieder leeren werden. Geflüchtete und bedürftige Menschen gehören zwar weiterhin zum bevorzugten Personenkreis, jedoch sieht man auch anderweitig den Bedarf nach älteren Fahrradmodellen steigen. Zum Beispiel suchen viele Studentinnen und Studenten Vehikel für ihren Studienort. Dort darf das Fahrrad auf keinen Fall hochwertig sein, denn die Diebstahlrate ist immens hoch. Da ist ein älteres, vom Style her nicht aktuelles Modell, der beste Schutz vor organisierten Fahrrad-Diebesbanden. Auch Einzelhändler könnten in der Wermelskirchener Fahrradwerkstatt fündig werden. Alte Fahrräder, oder wie man heute sagt, „Vintage-Bikes“, sind ideale Dekorations-Objekte fürs Schaufenster.
zum Beitragsbild: Geschafft, alle gespendeten Kinderfahrräder sind aufbereitet und warten auf die Nachwuchsradler.