Ein Wort zum Montag, dem 7. März 2022
VON CORNELIA SENG
Ob ich wüsste, wo das Grab von Willy Millowitsch sei, fragt mich der ältere Herr. Seine Frau habe den Schauspieler sehr gemocht. Vor kurzer Zeit sei sie gestoben, und heute kommt er extra aus Essen angefahren. Eine Weile gehen wir miteinander über den Melaten-Friedhof in Köln.
- Am Hauptbahnhof treffe ich auf Joachim, einen Teilnehmer unserer Gruppe. Er hockt vor einem Paar, das ohne festen Wohnsitz lebt. Zu viert unterhalten wir uns eine Zeit lang. Köln sei gut, sagen die beiden.
- Am Abend in dem schönen Garten des Tagungshauses erzählt mir Nick von seiner Geschlechtsumwandlung. Endlich will er als Mann leben können. – Das war bei den “Straßenexerzitien” in Köln im Sommer 2018.
Diese Woche hat mich die Nachricht erreicht, dass Christian Herwartz gestorben ist. Er gilt als Begründer der “Straßenexerzitien”. Ursprünglich war der Jesuit Arbeiterpriester. Später hat er in Berlin in einer Wohngemeinschaft seinen Schlafraum mit sieben anderen Männern geteilt. Wer eine Herberge nötig hatte, der kam in der Naunynstraße unter. Aus diesem Zusammenleben sind die “Straßenexerzitien” entstanden. “Jesus hat gesagt: Ich bin die Straße, die Wahrheit und das Leben”, zitiert Christian Herwartz immer wieder das Johannesevangelium (Joh 14,6). Auf der Straße, bei zufälligen Begegnungen mit Menschen, lässt Jesus sich finden.
Christian Herwartz sprach oft vom Zuhören und von Offenheit: “Jesus ist erfinderisch, durch wen er mir etwas sagen will”. Höre ich zu, wenn mir Menschen aus ihrem Leben erzählen? “Zuhören, ohne bereit zu sein, das eigene Leben zu ändern, geht auch nicht”, sagt Christian Herwartz in einem seiner letzten Interviews. Lasse ich mich berühren von dem, was ich da höre?
Darum geht es in den Straßenexerzitien. Das kann man üben. Im Grunde geht es nicht nur um diese wenigen Tage im Jahr 2018 in einem Tagungshaus. Ich muss ein Leben lang üben.
Danke, Christian Herwartz!
