Jochen Bilstein ist Fraktionsvorsitzender der SPD im hiesigen Stadtrat und Vorsitzender des Schulausschusses. In der heutigen Sitzung dieses Ausschusses geht es um das Problem der Gesamtschule/Sekundarschule und deren Standort. Da Bilstein an Corona erkrankt ist, kann er nicht, wie vorgesehen, Stellung beziehen. Er hat aus diesem Grund seinen Fraktionskollegen Ralf Weber gebeten, seine Stellungnahme in der Ausschusssitzung zu verlesen.
Meine Damen und Herren, ich bedauere es sehr, dass ich heute nicht selbst an der Sitzung teilnehmen kann, aber Corona hat auch mich ereilt. Daher wende ich mich auf diesem Wege an sie: Wir haben im vergangenen Jahr einstimmig entschieden, in Übereinstimmung mit der Schulleitung wie Elternvertretern, die Sekundarschule, die wir vor einigen Jahren mit großen Erwartungen hier in unserer Stadt gegründet hatten, auslaufen zu lassen und eine andere Schulform zu etablieren. Dabei waren wir von dem Gedanken geleitet, zukünftig möglichst viele der Wermelskirchener Schülerinnen und Schüler wieder in unserer Stadt unterrichten zu können. Dazu benötigen wir eine Schule, die allen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit bietet, ihre Laufbahn nach ihren individuellen Fähigkeiten, ihren Begabungen und angestrebten Bildungszielen von der 5. bis zur 13. Klasse in derselben Schule zu beginnen und auch zu beenden. In dieser Schule soll keine Selektion bereits nach der 4. Klasse erfolgen müssen, soll es keine Abschulungen geben, sie soll inklusiv und integrativ sein. Sie soll den Kindern mit Hauptschulempfehlung ebenso offenstehen wie denen mit Realschul- oder Gymnasialempfehlung. Kein Kind soll gezwungen sein, eine Schule in einer anderen Stadt zu besuchen, weil wir in Wermelskirchen kein geeignetes Schulangebot vorhalten.
Die Schulform, die diese Voraussetzungen erfüllt, ist die Gesamtschule. Sie hat längst ihren festen Platz im deutschen Bildungswesen. Die Zeiten ideologischer Auseinandersetzungen um diese Schulform gehören längst der Vergangenheit an. Es ist diese Schulform, die in den meisten Staaten unabhängig von der sozialen und ökonomischen Herkunft einen Lernerfolg möglich macht, der es mindestens mit dem Leistungsniveau der Schülerinnen und Schüler in Deutschland aufnehmen kann, wenn er es nicht sogar übersteigt. Meine Hoffnung war und ist, dass eine Entscheidung für eine Gesamtschule in Wermelskirchen mit einer breitest möglichen Mehrheit gefällt wird. Wenn nicht in der heutigen Sitzung, dann hoffentlich am 28. März im Rat.
Heute wird im Schulausschuss der Grundsatzbeschluss gefasst. Elternvertreter der Sekundarschule hatten im Vorfeld vermisst, dass ein „grundsätzliches Konzept“ für die neue Schule fehlt: Sie „halten eine Entscheidung, überhaupt eine Gesamtschule für Wermelskirchen vorzusehen, ohne dass (…) grundsätzliche Voraussetzungen vorliegen, für unverantwortlich.“ Das ist unrichtig. Erst wenn die Entscheidung für eine Gesamtschule steht, ist es sinnvoll, die Konzepte dafür zu entwickeln, die ja auch notwendig sind für den Antrag an die Bezirksregierung. Im Übrigen ist das Konzept der Gesamtschule keine Black Box, sonst würde sich heute keine Mehrheit dafür entscheiden. Es ist auch unrichtig zu behaupten, die Politik sei der Meinung, alleine ein Beschluss würde zu einer akzeptierten Lösung führen und die Entscheidung sei „übers Knie gebrochen“ worden. Gerade die Erfahrungen mit der Sekundarschule haben mir gezeigt, dass es mit einem bloßen Beschluss nicht getan ist und wir – Politik wie Verwaltung– die Pflicht haben, die Schulneugründung über Jahre eng zu begleiten.
Vor einem Jahr haben wir die Diskussion über einen Schulformwechsel begonnen und bereits im Sommer und Herbst über Schulalternativen diskutiert. Vor zwei Monaten haben wir genauere Daten von den Schulplanern erhalten. Die Entscheidung über den Standort fällen wir in zwei Wochen. In dem Zusammenhang von „auf die Schnelle“ zu sprechen, ist nicht sachgerecht. Daher appelliere ich an die Mitglieder des Ausschusses: Lassen sie sich nicht irritieren. Die Betroffenen brauchen endlich Klarheit und keinen Schulgipfel. Die Zeit ist reif für die Empfehlung an den Rat am 28. März!
Jochen Bilstein