Blind-Date

Para-Schneesport

VON DANIELA ALI

Der Zufall hat mir mal wieder dazu verholfen, einen langjährigen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.

Vor ein paar Wochen kontaktierte mich meine Kletterfreundin Katrin Degenhardt und wollte wissen, ob ich als Tausendsassa nicht auch Schneesport treibe. Sie suche eine Skiläuferin, egal ob alpin oder nordisch, die im Parabreitensport unterwegs ist, um über sie/ihn einen Artikel für die Paralympics Zeitung zu schreiben.

Ich war überglücklich, dass sie ihre Suche bei mir gestartet hat. Vor über 30 Jahren habe ich mit Alpinski begonnen, vor circa 15 Jahren kam Langlauf dazu und auch das Snowboarden habe ich mal kurz testen können. Das Skifahren an und für sich bereitet mir keine Schwierigkeiten. Aber ohne Begleitperson geht es nicht. Als blinder Skifahrer bin ich auf Assistenz angewiesen, sonst finde ich weder das Tickethäuschen für den Skipass, den Lift oder die Seilbahn, noch die Toilette auf der Hütte und bei der Abfahrt oder auf der Loipe hätte ich ohne die Ansagen eines/r anderen auch keine Chance.

Der BRSNW (Behinderten- und Rehabilitationssportverband Nordrhein-Westfalen e.V.) hatte zu seinem ersten Para Schneesporttag, am 12. Februar, in Züschen eingeladen.
Sofort, als ich davon gehört hatte, wollte ich gern dabei sein. Es war schon lange her, dass ich auf den Brettern stand und noch viel länger, dass ich einen Begleitläufer für Alpinski hatte. Da war mir Katrin mit ihrer Anfrage gerade recht gekommen. Ich wusste, dass sie selbst eine gute Skiläuferin ist. Und auf dem Para Schneesporttag würde sie die nötigen Instruktionen bekommen, wie sie eine blinde Läuferin guidet.

Mal wieder einen Tag im Schnee, das reizte auch Katrin. Anfänglich hatte sie noch große Bedenken, ob sie das Guiden hinbekommt. Die Ängste konnte ich ihr aber größtenteils nehmen und den Rest würden die Trainer machen.

Nicht nur wegen Corona war ich ganz happy, dass wir mit dem Auto fahren konnten. Wer schon einmal von Bergisch Gladbach nach Winterberg mit dem ÖPNV gefahren ist, weiß, was das für eine Himmelstour ist.

Die Ausschreibung für den Para Schneesporttag des BRSNW war an Körper- und sehbehinderte/blinde Teilnehmer gerichtet. Mit rund 60 Anmeldungen wurde die Erwartung des Verbandes bei weitem übertroffen. Davon waren 36 Teilnehmer sitzende Skiläufer, die übrigen stehend.

Etwa sechs der Teilnehmer waren stark sehbehindert oder blind. Das Können der einzelnen war so unterschiedlich wie die Menschen selbst. So waren absolute Anfänger genauso dabei, wie passable und schon sehr gute Skiläufer.

©️ Hoffmeister / BRSNW

Ich war in der kleinen Gruppe der Skiläufer mit Sehbeeinträchtigungen. Zusammen mit unseren Begleitläufern und den Trainern ging es zuerst zum Anfängerhügel, wo die Skilehrer sich einen Überblick verschafften.

Katrin und ich wechselten dann auch gleich auf die gut präparierte Piste. Bei den ersten beiden Abfahrten war noch an Ann-Kathrin dabei. Nach ein paar wenigen Instruktionen versorgt sie uns noch mit einem Walkie-Talkie und dann genossen Katrin und ich eine Abfahrt nach der nächsten.

Über Walkie-Talkie konnten wir uns gut verständigen und ich bekam die für mich so wichtigen Ansagen von Katrin. Wenn die Umgebungsgeräusche sehr gering sind und auf der Piste nicht so viel los ist, kann ich auch alleine nach Gehör fahren. Ich höre ob ein anderer Skifahrer oder Snowboarder in der Nähe ist. Nur wenn jemand still im Schnee sitzt bekomme ich das nicht mit. Wenn das Aufkommen von Skiläufern zu dicht, ist habe ich auch keine ausreichend gute Orientierung mehr.

Beim Guiden (begleiten/assistieren) von sehbehinderten und/oder blinden Skiläuferinnnen gibt es zwei Möglichkeiten. Ich habe diese beiden unter der Bezeichnung „österreichisches“ und „schweizer“ Modell kennen gelernt. Beim Schweizer Modell fährt der Guide hinter dem Parasportler und beim österreichischen Modell ist es umgekehrt, der Guide fährt vorne weg.

©️ Hoffmeister / BRSNW

Ich persönlich bevorzuge das Schweizer Modell; nicht zuletzt, weil ich mit dem österreichischen nicht so gute Erfahrung gemacht habe. Gängige Praxis ist aber bei uns in Deutschland die Ausbildung in der österreichischen Variante.

Katrin, die bisher noch gar keine Erfahrung als Guide im Schnee Sport hatte, ist von Anfang an hinter mir her gefahren.

©️ Hoffmeister / BRSNW

Wie immer und überall ist es ganz wichtig, demjenigen, der Assistenz benötigt, diese so zu geben wie er/sie sie braucht. Individuelle Voraussetzungen entsprechen nie einem Standard. Auch wenn für eine bestimmte Situation ein Verhalten oder eine Vorgehensweise geschult wird, muss man diese immer auf den Einzelfall – auf die individuelle Situation – anpassen.

Auch im Breitensport der Paraskiläufer konnte man an diesem Tag sehen, wie gut die Sportler auf den Brettern unterwegs sind. Auch die Talentscouts aus dem Paraleistungssport waren nicht umsonst gekommen. Ein junger Mann, sehbehindert, wurde noch am gleichen Tag in das Training des Kaders integriert. Schon in Kürze wird er an seinem ersten Wettkampf teilnehmen. Ich drücke ihm die Daumen.

Nachdem der erste Para Schneesporttag des BRSNW ein grandioser Erfolg war, sind sich Teilnehmer wie auch Veranstalter sicher: im nächsten Jahr muss es eine Wiederholung geben.

Ich freue mich schon jetzt auf einen weiteren Tag im Schnee, mit Sport und netten Menschen. Sei dabei! Egal ob als Parasportler oder Begleitläufer.

© Max Schuster Hemsedal / Norwegen

© Daniela Ali

Daniela Ali aus Bergisch Gladbach, blind und aktiv, Breitensportlerin, auf Skiern unterwegs, an Kletterwänden, überall dort, wo’s sportlich zugeht

Beitragsfoto © Hoffmeister / BRSNW

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • Heike Kornetzky-Gräwe
    • 20.02.22, 19:10 Uhr

    Ein wunderbarer Artikel. Weiterhin viel Spaß und Erfolg beim Sport, liebe Daniela Ali.
    Nur ist es erschütternd, dass IOC-Präsident Thomas Bach seine Teilnahme an den Paralympics im März abgesagt und damit deutlich seine unzureichende Wertschätzung gegenüber dem Parasport zum Ausdruck gebracht hat.

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