Luftsprünge

Ein Wort zum Montag, dem 21. Februar 2021

VON CORNELIA SENG

Manchmal sehe ich sie noch vor mir, die fragenden Blicke meiner Schülerinnen und Schüler. Der hat alles verkauft, was er hatte? So gänzlich alles? Das schöne Haus, die teuren Lieblingsklamotten, selbst den vollen Kühlschrank? Nur wegen einer einzigen, besonderen Perle? Und als er sie besitzt, macht er einen Luftsprung. Sie ist es ihm wert, dafür alles andere herzugeben. Es geht um das Gleichnis von Jesus. “Das Himmelreich gleicht einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.” (Matth 13,26)

Das Foto ist eine Zeichnung von Nick Butterworth. Abfotografiert aus dem Büchlein „Die wunderschöne Perle“.

Soll die Geschichte ein Witz sein oder eine Provokation? – Eine Perle kann man schließlich nicht essen, sagen meine Schüler. Wird man nicht auch deshalb zur Schule geschickt, damit man später mal “alles hat”? Ist es das Ziel des Lebens, sich möglichst viel leisten zu können?

Ich bin in bescheidenen Verhältnissen groß geworden. In der Nachkriegszeit waren die Eltern froh um jedes Teil, das sie hatten. Im Wirtschaftswunderland Deutschland wurde es dann immer mehr, was man sich leisten konnte. Wann ist es so wichtig geworden, viel zu haben? Viel zu besitzen? Doch: Wohlstand und Reichtum sind nicht dasselbe.

Ab wann haben wir Wohlstand und Reichtum miteinander verwechselt? Oder haben die Menschen das schon immer getan? Jesus hat auch die einfache Geschichte vom reichen Kornbauern erzählt. Der sammelt immer mehr Korn in seine Scheunen. Er meint, damit sein Leben absichern zu können. Wie arm der dran ist! Eine bedauernswerte Gestalt.

Manchmal habe ich in meinem Leben Menschen getroffen, die sehr reich waren, obwohl sie in Armut lebten. Frère Roger, der Gründer von Taizé, war solch ein Menschen. Als Mönch lebte er in Armut und ohne jeden eigenen Besitz. Und doch schien er mir unglaublich reich. Auch noch im hohen Alter strahlte er einen Frieden aus, der ansteckte. In einem Büchlein von ihm lese ich: “Glücklich, wer aus dem Vertrauen des Glaubens lebt! Er entdeckt das umfassendste Geheimnis: die stete Gegenwart Gottes”.

Das Himmelreich, die stete Gegenwart Gottes, lässt einen schon mal Luftsprünge machen.

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