Ein Wort zum Montag, dem 7. Februar 2022
VON CORNELIA SENG
Wilhelm von Blanckenhagen war ein angesehener und gut betuchter Mann. Er konnte es sich leisten, mit seiner Familie auf eine dreijährige Europareise zu gehen: von Riga bis nach Rom. Das war am Beginn des 19. Jahrhunderts. Um 1810 kehrte er aus Rom zurück. Auf dieser Reise führte er ein „Stammbuch“ mit – und bat befreundete Künstler um einen Beitrag. Die schrieben oder zeichneten ihm ins Buch. Eindrucksvolle Zeichnungen von Rom sind da zu sehen, aber auch Zeichnungen von kleinen Gruppen von Menschen beim Ausflug in die Natur. Und immer wieder seine Töchter, für die dies eine Bildungsreise sein sollte. Zehn Jahre später brauchte er Geld und hat das Stammbuch und die Zeichnungen verkauft. So sind sie in die Museen und auch nach Kassel gekommen. Und ich kann sie betrachten, obwohl sie doch gar nicht mir „ins Stammbuch“ geschrieben waren.
Habe ich eigentlich auch „ein Stammbuch“? Mir fällt das große Bild im Wechselrahmen ein, das ich vor Jahren an der Wand hängen hatte. Ich habe einfach hinter der Scheibe zusammengestellt, was mir wichtig war: Postkarten mit Grüßen vom Sohn, bunte Erinnerungen an Museumsbesuche in Prag und Paris, ein Foto von der Geburtstagsfeier im Pfarrgarten, die Gruppenreise mit der Gemeinde ins Kloster und mehr. Ein bunter Strauß. Eindrücke und Begegnungen, an die ich mich gern erinnere.
Geht so Leben, wie ein „Stammbuch“ oder eine Postkarten-Sammlung im Wechselrahmen?
„Alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war“, heißt es in Psalm 139. Und der Beter fährt fort: „Aber wie schwer sind für mich, Gott, deine Gedanken! Wie ist ihre Summe so groß! Wollte ich sie zählen, so wären sie mehr als der Sand: Am Ende bin ich noch immer bei dir.“
Mein Stammbuch, mein Lebensbuch, an vieles erinnere ich mich gerne, anderes bleibt mir unklar. Den Sinn hinter dem Lauf meines Lebens wird Gott schon wissen.
![](https://forumwk.de/wp-content/uploads/2022/02/7F3FD48E-3F7F-4B64-8683-6F545A7A97BC-1024x843.jpeg)