VON WOLFGANG HORN
Vortrag: Nachdem ich diesen Kommentar bereits eingestellt hatte, stieß ich auf die Pressemeldung der Evangelischen Kirche im Rheinland, nach der die Herner Pfarrerin Melanie Jansen mit Morddrohungen attackiert wird. Wie weit sind wir in der Gesellschaft bereits gekommen, wenn eine Pfarrerin bedroht wird, weil sie in ihren Friedensgebeten auch der Opfer der Corona-Pandemie gedenkt? Wir müssen dieser Entwicklung gemeinsam Einhalt gebieten. Menschen in Herne, in Wermelskirchen und anderswo werden bedroht, kujoniert, eingeschüchtert. Weil sie eine andere Auffassung haben als eine kleine Minderheit, die indes stets radikaler wird.
Es ist kein Widerstand, wenn einer Mitarbeiterin der Johanniter, die in Wermelskirchen das Impfzentrum betreiben, über Facebook unverhohlen gedroht wird mit den Worten: „Lass dich nicht mehr auf der Straße blicken.“ Nein, es ist kein Widerstand, wenn in der jetzt nicht mehr öffentlich zugänglichen Telegram-Gruppe „Wermelskirchen Widerstand“ Hinweise veröffentlicht werden, wie man Impfdokumente fälschen kann. Es ist kein Widerstand, wenn in der gleichen Gruppe darüber sinniert wird, die Impfverweigerungsdemonstrationen in Wermelskirchen sonntags durchzuführen, um den Polizisten die sonntägliche Familienidylle zu versauen. Es ist auch kein Widerstand, wenn dazu aufgerufen wird, das Forum Wermelskirchen „abzuschalten“, was allenfalls als nur unzureichend kaschierte Aufforderung zur Gewalt angesehen werden kann. Es ist auch kein Widerstand, wenn Journalisten in Wermelskirchen Droh-Mails zugesandt werden.
All das ist kein Widerstand. Als Widerstand versteht man den Angriff auf Macht- und Herrschaftsverhältnisse, also aktives oppositionelles Handeln oder die Verweigerung des Gehorsams gegenüber Obrigkeit oder Regierung. Er richtet sich also gegen jede Form von Autorität. In der jüngeren deutschen Geschichte wird Widerstand vor allem mit dem inneren Kampf gegen die Nazidiktatur konnotiert. Widerstand waren damals Sabotagehandlungen, die Verbreitung von Flugschriften, der Schutz oder die Beherbergung von verfolgten Menschen, vor allem von Jüdinnen und Juden, Attentate auf Nazigrößen, wie etwa das Bombenattentat von Georg Elser oder der 20. Juli 1944, die Beschaffung illegaler Papiere und Dokumente und vieles mehr. Kurzum: Mehr oder weniger eindeutig denkt man hierzulande bei Widerstand vor allem an Widerstand gegen Diktatur und diktatorische Gesellschaftsverhältnisse.
Spaziergänge, Demonstrationen, Kundgebungen, Meinungsäußerungen, Artikel und Kommentare von Coronaleugnern und Impfverweigerern sind allesamt keine Widerstandshandlungen. Im Gegenteil: Es sind Handlungen, die unsere Verfassung ausdrücklich garantiert. Aus den Erfahrungen mit der Nazidikatur heraus haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes ausdrücklich das Recht der freien Meinungsäußerung und das der freien Versammlung wie auch das der freien Religionsausübung im Grundrechtekapitel des Grundgesetzes garantiert. Die Quer-Zweifler leisten keinen Widerstand, sondern nehmen ein Recht in Anspruch, das jene, die sie in ihren Reihen mitmarschieren lassen, wieder abschaffen möchten. Jene Rechtsextremen nämlich, denen es nicht um Gesundheit geht und das Impfen, sondern um die Delegitimierung der freiheitlichen Republik, in der wir das Privileg haben, leben zu dürfen. Ich empfehle verbale Abrüstung.