Die Perlenkette

Ein Wort zum Montag, dem 10. Januar 2021 

VON CORNELIA SENG

Da hat er mich erstaunt, mein alter Vater. Meine Eltern hatten längst die Goldene Hochzeit gefeiert. Jetzt wollte er meiner Mutter ein besonderes, ein kostbares Geschenk machen. Eine Halskette sollte es sein. 

Bis dahin hatte meine Mutter immer Ketten mit imitierten Perlen getragen, echter Schmuck war zu teuer. Meine Eltern haben immer sparsam gelebt. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter jemals teuren Schmuck geschenkt bekommen hätte. Aber an diesem Weihnachtsfest bestand Vater darauf: ich musste ihn zum Juwelier begleiten. Er suchte eine teure, doppelreihige Perlenkette für sie aus. Sie würde nicht mehr viele Gelegenheiten haben, eine solche Kette zu tragen, das wusste er. Bestimmt wusste er auch, dass sie sich aus teurem Schmuck nicht viel machte. Jetzt im Alter schon gar nicht. Und trotzdem – es war ihm ein Anliegen. Ich denke, er wollte ihr damit seine große Wertschätzung ausdrücken, seine Verehrung und Dankbarkeit. Auch wenn die teure Kette eigentlich überflüssig war. 

War es mit den Geschenken der „Heiligen Drei Könige“ ähnlich? Was sollte das Kind, was sollten seine Eltern mit Gold, Weihrauch und Myrrhe anfangen? Im Stall? Und bald auf der Flucht? Eine absurde Situation: Könige (oder Magier), jedenfalls in ihrem Land angesehene und einflussreiche Leute, knien in einem Stall. Sie huldigen einem Kind armer Leute. Und bringen teure, aber unbrauchbare Geschenke mit. Wollten sie einfach ihre Wertschätzung, ihre Verehrung zum Ausdruck bringen? 

Die orthodoxen Christen feiern erst am 6. Januar das Christfest. Sie feiern, dass mit Jesus Christus die ganze Herrlichkeit und Pracht des Himmels auf die Erde gekommen ist. Viel Gold schmückt ihre Kirchen! Es kann gar nicht üppig genug sein. Weihrauch wird geschwenkt, es soll angenehm riechen, wenn Gott zur Welt kommt. 

Der Gedanke hat was. Doch mir ist er fremd geblieben. 

Ich bin in der westlichen und protestantischen Tradition des christlichen Glaubens aufgewachsen. Doch das Epiphaniasfest am 6. Januar feiere ich auch, die Erscheinung der Herrlichkeit Gottes in unserer Welt. Dieses Kind in der Krippe ist tatsächlich ein besonderes Kind. In ihm ist Gott zur Welt gekommen. 

Wie kann ich ihm meinen Dank, meine Verehrung zeigen?

Paul Gerhardt, der große Liederdichter des Protestantismus, sagte es im Jahr 1653 so:

„Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben; ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben. Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut, nimm alles hin und lass dir‘s wohlgefallen. 

Mein „Geist und Sinn, Herz, Seel‘ und Mut“ – was für eine Aufzählung an Geschenken!

Die Perlenkette von damals habe ich von meiner Mutter geerbt. Ich habe sie nie getragen. Die Töchter wollen sie auch nicht. Aber was mein Vater damit zum Ausdruck bringen wollte, berührt mich immer wieder neu.

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