Keine Abschiebung von geflüchteten LGBTTI – Anerkennung als Flüchtlinge

VON STEFAN WIERSBIN

Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mehrmals festgestellt, dass die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Handlungen menschenrechtswidrig ist (z.B. EuGH, Urteil vom 7.11.2013, C-199/12). Es sei nicht zumutbar, die geschlechtliche Orientierung zu verstecken, um einer Verfolgung zu entgehen. – Die Bundesregierung richtet ihr Handeln nicht an diesen Urteilen des europäischen Gerichtshofs aus! Diese werden durch unsere Behörden missachtet!

Die Bundesregierung hat hinsichtlich der Verfolgung von LGBTTI auf die große Anfrage in der Bundestagsdrucksache 18/4723 ausführlich darüber berichtet, wie die Lage in verschiedenen Ländern ist.

Trotzdem hat das Bundesverfassungsgericht z.B. im Beschluss vom 22.01.20, BvR 1807/19, entschieden, dass für Homosexuelle in Nigeria keine Gruppenverfolgung gegeben ist. Deshalb werden ihre Asylverfahren inzwischen auch bei Gerichten regelmäßig abgelehnt, obwohl dort 14 Jahre Haft und im Norden Todesstrafe drohen.

Insgesamt lehnt das „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“ fast alle Asylbegehren von LGBTTI ab und die meisten Klagen dagegen sind erfolglos. – Auch werden laut Pro Asyl psychische Erkrankungen, die beispielsweise von Krieg, Folter oder Vergewaltigungen im Herkunftsland oder auf der Flucht herrühren, in Asylverfahren oft nicht ausreichend berücksichtigt.

Bei Abschiebung droht nicht nur staatliche Verfolgung, sondern auch Mord, bei dem die Täter straflos bleiben.

Wer flieht, hat dafür gute Gründe. Dies gilt besonders für lesbische, schwule, bisexuelle, transgeschlechtliche und intersexuelle Menschen (LSBTI), die in ihren Herkunftsländern Verfolgung und Gewalt seitens des Staates, der Familie oder der Gesellschaft erfahren mussten. In über 90 Staaten der Erde droht LSBTI-Personen Gefahr für Freiheit, Leib und Leben.

In Deutschland angekommen, ist für viele LSBTI-Menschen die Flucht noch nicht vorbei. Zu der existentiellen Unsicherheit, die mit den oft langwierigen und schwierigen Asylverfahren verbunden ist, kommen Erfahrungen von Rassismus, aber auch von LSBTI-Feindlichkeit hinzu. Besonders in Flüchtlingsunterkünften und Integrationskursen scheinen Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen von LSBTI-Personen eher die Regel als die Ausnahme zu sein.

Wegen ihrer Erfahrungen aus dem Heimatland und in den Asylunterkünften trauen sich viele LSBTI-Personen nicht, sich in Deutschland zu outen. Oft können sie nicht in der ersten Asylanhörung darüber sprechen oder sie sprechen nicht über Details, die ihnen peinlich sind. Selbst wenn sie sich trauen, werden ihre Asylverfahren oft abgelehnt, weil sie „nicht glaubwürdig“ seien. Wenn ihnen andererseits geglaubt wird, mutet man ihnen oft zu, in ihr Heimatland zurückzukehren, weil sie ihre Orientierung ja nicht öffentlich ausleben müssten.

Hier das Schicksal eines unserer Freunde:

In Ghana aufgewachsen, 28 Jahre

Mit 16 Jahren bemerkte ich, dass ich schwul bin. Ich hatte einen älteren Freund, der auch schwul war. Er hat mich immer wieder angefasst und mit mir gespielt (Anm. Sex gehabt). Er nahm mich auch mit zu verschiedenen Orten und gab mir auch Geld. Meine Mutter und mein Vater lebten nicht mehr. Ich wuchs bei meinem Onkel auf. Der kümmerte sich aber nicht um mich. Mein Freund hat sich immer gut um mich gekümmert und ich bin zu ihm gezogen. An einem Tag kamen ein paar Männer zu uns ins Haus. Sie fingen an, uns zu schlagen. Meinen Freund haben sie getötet. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, also lief ich weg. Zuerst lebte ich in verschiedenen Städten und verdiente mir dort etwas Geld, um zu überleben. Mir wurde gesagt, dass ich in Europa sicher wäre und flüchtete deswegen nach Deutschland. Ich musste einfach weg aus Ghana, um mein Leben zu schützen. Ich kann auch nicht mehr dahin zurück, weil mich viele dort kennen. Sie würden mich töten.

Mein Asylantrag wurde abgelehnt.

Weil ich keine Identitätspapiere habe und sie auch nicht bekommen kann, muss ich in einem Asylheim leben, wo ich wegen der Homosexualität Mobbing ausgesetzt bin. Außerdem bekomme ich vom Sozialamt nur noch gekürzte Leistungen.

(Der Beitrag verwendet Texte aus dem Flyer des Vereins Be Yourself e.V; die Verwendung ist genehmigt.)

Be Yourself e.V. • Werwolf 12, 42651 Solingen • Spendenkonto: Stadtsparkasse Solingen, IBAN DE40 3425 0000 0001 7770 77

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.