Absage

VON WOLFGANG HORN

Das ist schon starker Tobak, wenn ein veritabler Wirtschaftsnobelpreisträger einem deutschen Parteivorsitzenden mit Ambitionen aufs Amt des Finanzministers eine „vorsintflutliche haushaltspolitische Agenda“ attestiert und davor warnt, ihm den Posten des Bundesfinanzministers zu überlassen. Christian Lindner, von ihm ist immer mal wieder die Rede, Abgeordneter für den hiesigen Wahlkreis, und seiner Wirtschaftspolitik schreiben der nobelpreisgewürdigte Ökonom Joseph Stiglitz sowie sein Kollege Adam Tooze in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung Die Zeit „eine Anhäufung konservativer Klischees“ zu, „sei es bei der Schuldenbremse oder den Haushaltsregeln für Europa“. Es handele sich um Klischees einer vergangenen Ära, nämlich um die der Neunzigerjahre. Die Berufung ins ministerielle Amt sei ein „finanzpolitischer Crashtest“. Angesichts der europäischen und globalen Herausforderungen seien große Investitionen der öffentlichen Hand von zentraler Bedeutung und nicht eine Rückkehr zu einem Sparkurs, wie er der FDP vorschwebe; man möge Lindner und dem Land ersparen, „seine vorsintflutliche haushaltspolitische Agenda auf die finanzielle Situation von heute zu übertragen“. Ein deutliches Urteil. Mit einem Nobelpreis unterlegt. Ein Urteil indes, zu dem man gewiß auch ohne Nobelpreis kommen kann.

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • stefan+janosi
    • 27.10.21, 17:04 Uhr

    Wahre Worte der beiden Wirtschaftswissenschaftler! Wer noch immer unkritisch die finanzpolitischen Konzepte der frühen 90er Jahre mit neoliberalen Ideen verknüpft, und diese als Lösung für die Herausforderungen der Zukunft sieht, sollte keinerlei Verantwortung in einem Finanzministerium bekommen!

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