VON WOLFGANG HORN
Verdi, das ist Wohlklang, akustischer Rausch, große Oper, auch menschliche Tragik und Drama. Giuseppe Fortunino Francesco Verdi. Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hingegen ist kein akustischer Rausch, mitunter aber auch große Oper, Tragik und Drama. Wie gestern in Wermelskirchen. Kirmessonntag. Traditionell der Tag, an dem ganz Wermelskirchen in der Innenstadt auf den Beinen ist, tausende auswärtige Gäste Wermelskirchen besuchen, der Tag des Krammarktes und der geöffneten Einzelhandelsgeschäfte. Eigentlich. Denn es war ein Gerichtsbeschluß, demzufolge am gestrigen Sonntag der Wermelskirchener Einzelhandel seine Geschäfte nicht öffnen durfte. Ein Gerichtsbeschluß auf Antrag der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. In der Wermelskirchener Satzung ist geregelt, wann genau verkaufsoffene Sonntage stattfinden dürfen. Festgelegt war wohl, daß ein verkaufsoffener Sonntag der letzte Sonntag im August sein sollte, Kirmessonntag. Wegen der Pandemie ist dieser Sonntag (mit der Kirmes) auf den ersten Sonntag im September verschoben worden. Um das abzusichern, hätte es allerdings eines Ratsbeschlusses bedurft, wie ich mir habe erklären lassen, oder einer Eilentscheidung des Hauptausschusses. In Wermelskirchen ging man wohl davon aus, daß auch eine Dringlichkeitsentscheidung der Bürgermeisterin diese Verschiebung des verkaufsoffen Sonntags ermöglichen würde. Und die Bürgermeisterin hat offenbar eine derartige Entscheidung auch getroffen, wie in den sozialen Netzwerken zu lesen war. Das Verwaltungsgericht in Köln aber hat diese Dringlichkeitsentscheidung als nicht zulässig angesehen, da der neue Termin für den Septembersonntag bereits am ersten Juni öffentlich gemacht worden war. Der Rat der Stadt aber hat am 28. Juni getagt und hätte dort beschließen können und müssen, daß die Regelung in der Stadtsatzung für das Kirmeswochenende verändert wird. Das aber ist wohl unterblieben. Es sind also mindestes drei Parteien beteiligt daran, daß der Einzelhandel in Wermelskirchen am Kirmessonntag keine Kunden empfangen und mithin keine Umsätze machen konnte. Ver.di, die Stadt und das Gericht. In den pandemischen Zeiten leidet der Einzelhandel. Das ist jedermann einsichtig. Es gab und gibt Reglementierungen des Zugangs zu den Geschäften, die Geschäfte mußten und müssen sich auf die erforderlichen hygienischen Bestimmungen einlassen, die Kundenströme sind eingeschränkt, die Kauflust der Kundschaft ist nicht wirklich hochentwickelt in diesen schweren Zeiten. Kein Wunder also, daß es große Erwartungen gab für den Kirmessonntag. Kein Wunder auch, daß nach dem Gerichtsbeschluss die Enttäuschung in Wermelskirchen groß war und ist. Bei Händlern und Kunden. Wenn sich aber nun Einzelhändler mit Schildern zu einer Demonstration versammeln, auf denen die Gewerkschaft kritisiert und auch beschimpft wird, wenn im Netz sogar öffentlich das Verbot der Gewerkschaften gefordert wird, dann wird es Zeit, sich dem ganzen Vorgang genauer zuzuwenden. Ver.di hat den Antrag gestellt. Ihr geht es im Prinzip darum, die Mitarbeiter im Einzelhandel vor verkaufsoffenen Wochenendtagen zu schützen. An sich eine sinnvolle Überlegung. Jedenfalls eine Position, mit der man sich durchaus rational auseinandersetzen kann. Aber entschieden hat das Verwaltungsgericht. Nicht die Gewerkschaft. Das Gericht hat seine Entscheidung getroffen auf der Basis des gewerkschaftlichen Antrages und der städtischen Erwiderung. Und offenbar war und ist das, was die Stadt auf diesen Antrag hin erwidert hat, für das Gericht ungenügend. Stadtverwaltung verbieten? Nein. Der Protest ist geschickt auf die Gewerkschaft kanalisiert worden, weg vom Gericht, weg von der Stadt. Hier wird ein Gegensatz konstruiert, künstlich, zwischen Mitarbeiterschutz und Kundenwünschen, zwischen Arbeitnehmerinteressen und Unternehmererwartungen. Soziale Marktwirtschaft aber heißt, daß Unternehmer und Beschäftigte, im Handel auch die Kunden, ihre Interessen darlegen und ein ausgewogener Kompromiß erzielt wird und nicht das eine Interesse über das andere obsiegt. Dazu sind Verhandlungen erforderlich, Gespräche, runde Tische, Abstimmungen. Offenbar hat es eben daran gemangelt. Das Ende vom Lied: Großes Kino in Wermelskirchen, nein, große Oper. Von vierzig vor dem Hotel zur Eich gegen ver.di protestierenden Einzelhändlern ist in der Morgenpost die Rede. Zählen Sie einmal nach. Sie werden nicht einmal auf vierzig CDU-Mitglieder kommen, die die größte Demonstrantengruppe stellte. Und daß ein leibhaftiger Linker an der Demonstration teilnahm, ist der Lokalzeitung auch keine Erwähnung wert. Opera auf Wermelskirchener Platt. Tragödie, Drama und auch ein kleines bißchen hintersinniger Witz. Ein Letztes noch: Ich bin Mitglied der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Mit goldener Nadel. Für fünfzig Jahre. Seitdem ich sechzehn Jahre alt bin, bin ich Gewerkschaftsmitglied. Ich war sogar als selbständiger Unternehmer Gewerkschaftsmitglied. Aber aus diesem Grund habe ich diesen Kommentar nicht geschrieben. Sondern nur dewegen, weil mir die öffentliche Schuldzuweisung gestern und heute zu einseitig ist und zu plakativ. Lynchstimmungen waren und sind niemals gut.
Update: Und sie bewegt sich doch: Am Donnerstag findet eine außerplanmäßige Sitzung des Rates statt mit dem einzigen Tagesordnungspunkt eines verkaufsoffenen Sonntags am 12. September.
Herr oder Frau Heidbüchel schreibt an anderer Stelle dazu: ..”Man kann jetzt mutmaßen wie man will, wie gesagt ein ganz schlechtes Zeugnis für die Gewerkschaften.” Falscher Adressat! Der “Schwarze Peter” liegt bei den anderen Beteiligten.
Zum Verständnis: Arbeitsrechte sind Schutzrechte für Arbeitnehmer/-innen. Und genau diese nimmt eine Gewerkschaft wie Verdi wahr. Verdi vertritt nicht Handel und Industrie.
Ja, da hätten die doch… Nein, für mangelnde Kommunikation bzw. nicht vorhande rechtsverbindliche Beschlüsse sind ALLEIN die anderen Beteiligten, also Stadt und Verwaltung zuständig. Das “ganz schlechte Zeugnis” haben die anderen.
Die Kernfrage lautet immer: Wer setzt sich für die Rechte der abhängig Beschäftigten ein? Es sind die Gewerkschaften. Diesmal war es Verdi.
Da kann man H. Rosen nur zustimmen.
Der Ausgangspunkt der Causa liegt an andrerer Stelle. Die Stadtverwaltung hat den Fehler gemacht, den verkaufsoffenen Sonntag nicht über den Rat (HuF) save zu machen. Fehler können passieren, da auch in der Verwaltung Menschen und keine Roboter arbeiten. Und ja, Verdi hat an dieser Stelle pauschal und ohne Feingefühl gehandelt. Der verkaufsoffene Sonntag wurde ja nur eine Woche verschoben und war kein zusätzlicher verkaufsoffener Sonntag. Am Donnerstag findet eine Sondersitzung des Rates statt, um den 12.09.2021 für die Händler in WK zu öffnen. Vielleicht kann der Einzelhandel dadurch die Verluste etwas minimieren.
Was mir aber auf dieser Demo nicht gefallen hat (ich bin der leibhaftige Linke aus dem Artikel), war das reaktionäre Verhalten einiger Politiker*innen, die anwesend waren. Sehr vielen Leuten war zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass es von Seiten der Stadtverwaltung einen Verfahrensfehler gegeben hat. Auch der Organisator wusste Bescheid. Aber dennoch wurde dies kleingeredet und über die böse Gewerkschaft geschimpft. Und natürlich waren einige sauer, dass ich es gewagt habe, als Linker auf dieser Demo aufzutauchen, war es doch unterschwellig eine Wahlkampfveranstaltung der örtlichen CDU. “Was seid ihr denn für eine Truppe“, schallte es aus dem Mund eines CDU- Funktionärs an meine Person, als ein Gewerkschaftsmitglied der IG Metall seinen Unmut über diese “Demo“ äußerte und Fotos fürs Forum machte. War aber schon interessant zu sehen, wie sich die örtliche Presse und andere Anwesende gewunden haben, die Fotos so zu gestalten, dass auf keinen Fall ein stadtbekannter Linker mit roter Maske auf den Fotos zu sehen ist.
Dennoch habe ich nach der Demo noch einige angenehme Gespräche mit Politiker*innen und Geschäftsleuten führen können. Dafür ein Dankeschön.
Ich zitiere Herrn Galow “Fehler können passieren, da auch in der Verwaltung Menschen und keine Roboter arbeiten. Und ja, Verdi hat an dieser Stelle pauschal und ohne Feingefühl gehandelt”
Hiermit ist im letzten Satz doch alles gesagt.
Und H. Rosen, ich stimme zu, ihre Worte, ich zitiere “Arbeitsrechte sind Schutzrechte für Arbeitnehmer/-innen. Und genau diese nimmt eine Gewerkschaft wie Verdi wahr”.
Ja da haben Sie Recht, allerdings in Pandemie Zeiten und sie wissen dass es der örtliche Handel sehr schwer hat sollte man Ausnahmen machen und kein Paragraphenreitrer sein, ich zitiere wiederholt Herrn Galow
“Und ja, Verdi hat an dieser Stelle pauschal und ohne Feingefühl gehandelt”.
Absolut nicht in Ordnung ist wie man Herrn Galow angegangen ist, dass ist schlechter Stil und zeugt von schlechten Manieren, ich zitiere aus dem Bericht ” Und natürlich waren einige sauer, dass ich es gewagt habe, als Linker auf dieser Demo aufzutauchen, war es doch unterschwellig eine Wahlkampfveranstaltung der örtlichen CDU. “Was seid ihr denn für eine Truppe“, schallte es aus dem Mund eines CDU- Funktionärs an meine Person, als ein Gewerkschaftsmitglied der IG Metall seinen Unmut über diese “Demo“ äußerte und Fotos fürs Forum machte”.
Meine Meinung dazu… absolut schlechter Stil der CDU.