VON WOLFGANG HORN
Mittendrin, statt nur dabei. Nein, die Rede ist nicht von einem Kleinstspartensender im Bereich des Sportfernsehens, obwohl das mal sein Hauptspruch war. Die Rede ist von der Vierten Welle der Corona-Pandemie. Wir sind mittendrin in der vierten Coronawelle. Die Zahl der Infizierten steigt kontinuierlich. Besonders betroffen sind in dieser vierten Welle Kinder und Jugendliche sowie die jüngeren und mittleren Erwachsenenjahrgänge, weniger die Alten. In den Krankenhäusern nimmt die Zahl der behandlungsbedürftigen Covid-Patienten zu und auch die Belegung der Intensivbetten durch Coronakranke hat sich in den letzten Wochen verdoppelt. Gleichwohl, so ein breiter gesellschaftliche Konsens, dürfe das nicht der Grund sein dafür, bei einer weiteren Verschärfung der Infektionslage wieder manifeste Einschränkungen des Alltagslebens der gesamten Bevölkerung anzuordnen, also etwa einen Lockdown oder einen Shutdown. An diesem Argument ist meiner Meinung nach richtig, daß zwischenzeitlich eigentlich alle Menschen, alle Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit hatten, sich gegen Corona impfen zu lassen. Wenn nun aber das Corona-Infektionsgeschehen, von der Delta-Mutante bestimmt, in der vierten Welle weiter um sich greift, wütet, und vor allem Nicht-Geimpfte zum Träger von Viren werden und wesentlich zu ihrer Verbreitung und zur Ansteckungsgefahr beitragen, dann muß die Infektionsgefahr, so lange man nicht zum Mittel der Impfpflicht greifen will, die es mit Blick auf viele andere Krankheiten ja bereits gegeben hatte, eingeschränkt, begrenzt werden, indem nur vollständig geimpften Menschen und denen, die von dieser Krankheit genesen sind, der freie, unreglementierte Zugang zu allen gesellschaftlichen Bereichen, Institutionen, Ereignissen, öffentlichen Orten und Plätzen, Behörden, Läden, Werkstätten, Hallen oder Büros gewährt wird. Diejenigen Mitbürgerinnen, die sich nicht impfen lassen können oder dürfen, können den umfassenden Zugang mittels einer PCR-Freitestung erhalten. Freiwillig ungeimpfte Menschen, die eine Ansteckungsgefahr für ihre Mitmenschen darstellen, müssen dann mit diesen Einschränkungen ihres Alltagslebens umgehen lernen. Ja, das wird gewiß den Druck auf die letzte Gruppe erhöhen, sich doch noch einmal mit der Impfproblematik auseinanderzusetzen. Gleichwohl: Es ist keine versteckte Impfpflicht, wie das auch bereits der Deutsche Ethikrat festgestellt hat. Man kann die Menschen nicht zu ihrem Glück zwingen. Und niemand will das im übrigen. Wer aber beispielsweise in einer Schule arbeitet, in einem Krankenhaus, in einem Altenheim, einem Pflegeheim, in einem Amt oder Behörde mit Kundenkontakt, an einer Kasse, sollte sich impfen lassen müssen. Alle anderen sollten sich frei entscheiden können, sich nicht pieksen zu lassen oder doch. Geimpfte Menschen werden bei Kontakt mit dem Virus geschützt sein und zwar sehr gut, wenn auch nicht wirklich perfekt. Aus der Gruppe der Geimpften wird kaum jemand an Corona sterben, bei den Ungeimpften werden es im Fall einer Infektion knapp zwei Prozent sein. Gut 30 Prozent der Bevölkerung sind nicht geimpft – es werden viele Menschen sterben. Sehr viele. Und eben dies dürfte der Grund sein für Politik und Parteien, derzeit, im Angesicht der Wahlen, die noch nicht wirklich dramatische Lage und die Tage ohne Kontaktbeschränkungen als Phase der Coronaüberwindung darzustellen, als Periode der Gesundung, schließlich als Resultat politischen Handelns. Aber: Wer sehen will, kann sehen, daß die Entwicklungslinien in eine andere Richtung deuten. Weltweit wütet die vierte Welle der Pandemie und auch im reichen Europa mit all den Möglichkeiten des Impfschutzes und einer erstklassigen gesundheitlichen Versorgung nimmt sie zu. Niemand kann derzeit wirklich eine Garantie dafür abgeben, daß es nicht doch wieder zu Lockdowns und Kontaktbeschränkungen kommen wird. Niemand. Je größer die grassierende Unvernunft, je größer die instrumentalisierte Verschwörungserzählung, je armseliger der mentale Zustand größerer Teile der Bevölkerung, desto wahrscheinlicher kommt es zu Hotspots, zu Infektionen nach öffentlichen Ereignissen, nach Demos, Stadionbesuchen, großen Konzertevents oder auch nach Freilufttreffen. Ich, vollständig geimpft, will weiter meine – allesamt geimpften – Freunde und Verwandte treffen, am Wochenende in Kneipen gehen und in diesem Jahr nicht alle Weihnachtsgeschenke bei Amazon kaufen müssen. Und das ist mir wichtiger als der Schutz von Menschen, die sich nicht impfen lassen wollten. Solidarität ist eine schöne Sache. In diesem Kontext aber sind die freiwillig Ungeimpften zur Solidarität aufgerufen. Die geimpften Menschen haben ihre Solidarität bereits erwiesen. Seit der Impfstoff allen zur Verfügung steht, hat sich die Richtung der Solidarität in der vierten Welle umgedreht. Mittendrin statt nur dabei ist man mit vollständiger Impfung.
Anja und ich setzen das als vollständig geimpfte Personen genau so um. Wir treffen uns nach der 2G-Regel mit geimpften oder genesenen Personen. Beim täglichen Sport und auch zum Plaudern mit Freunden. Von freiwillig ungeimpften halten wir uns freiwillig gerne fern.