Großmuttergedanken

Ein Wort zum Montag, dem 6. September 2021 

VON CORNELIA SENG

Unser Enkelkind Emil ist jetzt gut drei Monate alt. Wie alle Kinder in dem Alter beginnt er zu lachen, wenn man sich über ihn beugt. Er sucht den Kontakt: Reagiert da jemand auf mich? Lacht jemand zurück? Babys werden krank, wenn sie ohne Resonanz bleiben, auch bei optimaler körperlicher Versorgung. 

In der letzten Zeit habe ich viele Vorträge von Hartmut Rosa gehört, einem Soziologie- und Philosophieprofessor aus Jena. 

„Da ist was“ – das ist das erste, was wir merken, wenn wir auf die Welt kommen. So Hartmut Rosa. Wir nehmen wahr, dass „Welt“ um uns ist und suchen eine Beziehung zu ihr. Leben gelingt, wo wir Resonanz finden. Resonanz ist nicht Einklang. Ein Konzert z.B. lebt von der Resonanz der verschiedenen Instrumente aufeinander. Erst im Aufeinanderhören der verschiedenen Stimmen entsteht etwas Neues, ein Klang, der auch die Zuhörer*innen begeistert und mitreißt. Aber dafür, dass das gelingt, gibt es keine Garantie. Manchmal finden Konzerte auch keine Resonanz beim Publikum. Resonanz ist ein lebendiges Geschehen.

Auch der Glaube an Gott, so wie Jesus ihn erklärt hat, ist Resonanz. Glauben beginnt mit der Entdeckung: Da hört mich jemand. Und er antwortet mir. Von Anbeginn der Schöpfung sucht Gott selbst Resonanz bei dem Menschen. Er ruft Adam: „Wo bist du?“. Und er fragt Kain: „Wo ist dein Bruder Abel?“ Er lässt mit sich handeln und geht auf Abrahams Forderungen ein. Als Mose immer noch zögerlich bleibt, verspricht er, ihn durch seinen Bruder Aaron zu unterstützen. 

Die Bibel berichtet oft davon, dass Jesus Menschen geheilt hat. Am Ende verabschiedet er sich oft mit den Worten: „Geh hin, d e i n G l a u b e hat dir geholfen“. Diese Aussage überrascht mich heute immer noch. Ich vermute, Jesus meint: Zwischen Gott und dir ist etwas passiert. Das, was „zwischen“ uns passiert, ist das, was zählt. Dass ich bei Gott auf Resonanz stoße, und er bei mir. 

Natürlich lache ich Emil an – so breit wie es eben geht und so oft es eben geht. Auch zwischen uns passiert etwas. Das ist das Leben.

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