Ein Wort zum Montag, dem 30. August 2021
VON CORNELIA SENG
In der letzten Woche bin ich ins „Land der Väter“ gereist. In Purzien im Landkreis Wittenberg wurde im Jahr 1808 mein Ur-Ur-Großvater geboren, von dem ich meinen Familiennamen bekommen habe. Noch heute leben Nachfahren der Familie auf dem Hof. Sie haben uns freundlich willkommen geheißen und uns den Hof gezeigt. Es ist ein weites, offenes Land mit fruchtbarem Boden für den Gemüse- und Obstanbau.
Vor langer, langer Zeit hat Gott dem kinderlosen Abraham versprochen, ihn zu einem großen Volk zu machen. Ich kann nachfühlen, was ein solches Versprechen bedeutet: „Ich will dich zu einem großen Volk machen und dich segnen“ (1.Mose 12, 2). Was bedeutet es heute, zu einem Volk, zu einer großen Familie zu gehören?
Die Christen haben sich von Anfang an als zur Familie Abrahams, zum Volk Gottes zugehörig verstanden. Wie wilde Zweige, die „eingepfropft“ wurden und jetzt von der Wurzel und dem Saft des Baumes leben, schreibt der Apostel Paulus (Rö 11,17).
Die Zugehörigkeit zur Familie Gottes hat mein Leben geprägt und geweitet. In der Partnergemeinde in Ungarn wurden wir fröhlich als „Siblings“ – Geschwister begrüßt. Der Bischof aus Tansania ist mit mir durch die Schulklassen gezogen und hat von seinem Leben in Tansania berichtet. Mit Pfarrkollegen aus den USA und aus Honduras habe ich gemeinsam überlegt, wie wir je in unserer Gesellschaft den Auftrag Jesus Christi heute gestalten. Das Volk Gottes ist selbstverständlich universal.
Die Zusammengehörigkeit der Christen im „Volk Gottes“ ist ein weltumspannendes Modell, ein Modell gegen Nationalismus. Die Gemeinschaft der Christen ist kein Clan, der sich in „wir“ gegen „die“ abschottet. Sie versteht sich eher wie das Salz in der Suppe. „Kirche ist nur Kirche, wenn sie Kirche für andere ist“, hat Dietrich Bonhoeffer gesagt.
Vorführen oder nachweisen kann ich die Gemeinschaft der Kirche allerdings nicht. Ich „glaube“ sie. Sichtbar wird oft das Gegenteil, werden Streit und Missbrauch. Darunter leide ich. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Und freue mich an dem, was ab und zu möglich ist. Es ist sicher viel mehr als ich sehen kann.