Jetzt wieder: Plakatkunst

VON WOLFGANG HORN

Jetzt kann man sie bald wieder bewundern, die Erzeugnisse der politischen Plakatkunst. Von John Heartfield weltenweit entfernt, servieren uns Bürgern die Parteien Plakate mit Bildern und Texten, von denen sie glauben, mit dieser Art Bild-Text-Kunst den Bürger erreichen und interessieren zu können. Scholz packt das an. „Das“ ist der Stimmzettelumschlag. Drüber steht etwas vom Mindestlohn. Gemeinsam für ein modernes Deutschland. Zuhören und Zutrauen. Respekt für Dich. Kompetenz für Deutschland. Zwei für Deutschland. Nie gab es mehr zu tun. Aber was? Unteilbar solidarisch. Aus Liebe zur Freiheit. Wirtschaft und Klima ohne Krise. Kommt, wir bauen das neue Europa. Sicherheit gewährleisten. Rente in Würde. Niemand kann auf Anhieb sagen, welche Partei hinter welchem dieser Plakatsprüche steckt. Oder besser: Welche Werbeagentur für welche Partei welchen dieser Sprüche ausgeheckt hat. Es geht nicht um Politik. Es handelt sich um Floskeln. Die müssen nicht verstanden werden. Da muß kein Nachdenken angeregt werden. Die vermitteln sich gleichsam subkutan. Deutschland, Sicherheit, Respekt, Würde. Bloß niemanden erschrecken, bloß nicht provozieren, bloß keinen Widerspruch hervorrufen, bloß nicht anzüglich sein, bloß nicht quer liegen, bloß keine strittigen Inhalte bieten. Entsprechend die Bildkunst. Das Köpfeeinerlei. Schwarz-weiß: Immer Christian Lindner. Im schwarz-rot-goldenen Kreis: Immer Armin Laschet. Mit hoher Stirn vor Rot: Immer Olaf Scholz. Grün verwaschen: Immer Habeck und Baerbock. Kurzum: Die Wahlplakate von heute sind weniger denn je Politische Plakatkunst. Sie könnten in Zeiten hochmoderner Mobilisierungsmöglichkeiten über neue Technologien davon künden, wie einfallsreich, klug und kreativ, wie witzig und niveauvoll politische Parteien sein können, wie ebenbürtig ihre Kunst den zu Ikonen der jeweiligen Zeit gewordenen Werbeplakaten etwa sein kann, den großen Bilderzählungen politischer und anderer Fotografen oder Grafiker, den Montagen eines Helmut Herzfeld und anderer, die sich des Mediums Plakat bedienten. Könnten.

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