Update: Vor der vierten Welle

VON WOLFGANG HORN

Die Debatte ums Impfen gegen Corona bleibt heftig. Vor Jahrzehnten hatte es dagegen niemanden interessiert, wie sich der Impfstoff beispielsweise gegen die Pocken zusammensetzt. Und niemand hat gegen die staatlich verordnete Impfpflicht demonstriert. Alle Menschen haben sich allüberall impfen lassen. Obwohl das damals kein kleiner Pieks mit einer ganz dünnen Spritze, den man kaum merkt, war, sondern zwei Ritze mit scharfem medizinischem Messer in den Oberarm, um den Impfstoff zu applizieren. Die Narben tragen alle Menschen meiner Generation noch zur Schau, im Sommer jedenfalls, im ärmellosen Shirt. Das Ergebnis des Ganzen: Die Pocken sind heute ausgerottet, weltweit. Das Resultat einer Impfpflicht, gepaart mit massenhafter Vernunft und Einsicht ohne weinerliche Renitenz und absurden Verschwörungsglauben. Die Corona-Pandemie ist leider noch nicht vorbei. Bei einer vollständigen Impfung der deutschen Bevölkerung wäre unser aller Blick auf Herbst und Winter womöglich entspannter. Aber in anderen Ecken der Welt kollidieren die Impfbemühungen mit der Impfstoffknappheit, die hierzulande überwunden zu sein scheint. Das Virus kann sich somit global verbreiten und weiter mutieren. Wir hier in den sicheren Gefilden sollten beten, dass nicht noch bedrohlichere Varianten entstehen. Die vierte Welle ist in aller Munde. Zunächst für den Herbst avisiert, wird sie vermutlich bereits früher sichtbar werden. Daß sie kommen wird, scheint sicher, wie sie aber verlaufen wird, das können wir alle derzeit durchaus noch beeinflussen. Denn der Verlauf hängt im wesentlichen von der Impfquote ab. Die hochansteckende Delta-Variante lässt sich selbst in einer zu großen Teilen schon geimpften Bevölkerung nicht wirklich eindämmen. Und: Geimpfte können sich ebenfalls anstecken und das Virus weitergeben – mit geringerer Wahrscheinlichkeit als nicht Geimpfte, aber es ist möglich. Die vierte Welle wird die Welle der Ungeimpften. Soviel ist sicher. Ungeimpfte haben ein weit größeres Risiko als Geimpfte, schwer an Covid-19 zu erkranken. In den Krankenhäusern wird man das am Anteil ungeimpfter Erkrankter ablesen können. Jetzt schon offenbart ein Blick in die USA, was uns hierzulande drohen kann: Dort sind knapp die Hälfte der Bevölkerung vollständig und weitere acht Prozent einmal geimpft. In einigen Bundesstaaten sind mehr als 99 Prozent der Menschen, die an Covid-19 sterben, und 97 Prozent der Covid-19-Kranken in Kliniken nicht geimpft. Das alles sind Tragödien, Verluste von Eltern, Kindern oder Großeltern, langes Leiden im Krankenbett, schleppende Gesundung, Sorgen um den Arbeitsplatz und das soziale Wohlergehen. Todes- und Krankheitsfälle, die durch Impfungen hätten vermieden werden können. Es mag vielleicht gute Gründe gegen eine Impfpflicht geben. Aber Krankheit und Tod sind in meinen Augen keine kleineren Übel. Jeder einzelne muß das mit sich abmachen, ob er sich impfen lassen möchte oder nicht. Es bleibt eine wirklich persönliche Entscheidung. Aber die Folgen der Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, die sind nicht mehr nur persönlich. Die betreffen die ganze Gesellschaft. Die Folge ist eine höhere Krankheitslast und damit auch das Leid anderer Menschen. Es können sich ja etwa auch Menschen anstecken, die sich vielleicht gar nicht impfen lassen können oder dürfen. Wer ohne Impfung an Covid-19 erkrankt und ins Krankenhaus eingeliefert wird, muß das nicht aus eigener Tasche zahlen. Aber Veranstaltungen, gastronomische Betriebe, Konzerte, Museen, Sportveranstaltungen, Hotels, all das, das öffentliche Leben sollte nur mit vollständiger Impfung zugänglich sein, für andere hingegen lediglich mit Testzertifikaten, für deren Kosten dann nicht mehr die Allgemeinheit, die solidarische Gesellschaft aufkommen muß. Voraussetzung ist natürlich, daß allen ein Impfangebot unterbreitet worden ist. Die freiwillig Ungeimpften müssen die finanziellen Folgen ihrer Entscheidung auch tragen und können sie nicht auf alle überwälzen. Das ist beileibe keine Impfpflicht durch die Hintertür, wie manche argwöhnen. Der Respekt vor der Entscheidung, auf das Impfen zu verzichten, muß auf der anderen Seite den Respekt für die Gesellschaft zur Folge haben, wenn sie diese Kosten nicht mehr trägt. Die vielen dürfen nicht die Verantwortung tragen müssen für die Folgen des Handelns von wenigen. Wer für sich die Entscheidung gegen eine Impfung getroffen hat, der muß alle anderen Schutzmaßnahmen penibel einhalten, die für Geimpfte nicht mehr in dem Maße gelten. Hygieneregeln, Maskenpflicht, Schnelltests, Kontaktbeschränkungen, digitaler und Wechselunterricht, Homeofficepflicht, Ausgangssperren und so weiter. Meist unangenehme, unerfreuliche Regeln, Anordnungen, Verpflichtungen. Das wichtigste und erfolgreichste Instrument gegen die Infektion ist und bleibt die Impfung. Noch ein letzter Satz zur Pflicht. Niemand demonstriert heute gegen die Anschnallpflicht in Autos. Eine staatlich verordnete Pflicht zur Erhaltung der Gesundheit und der körperlichen Unversehrtheit. Niemand opponiert heutzutage mehr gegen den Nichtraucherschutz. Es ist common Sense, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in gemeinschaftlichen Büros oder Restaurants nicht mehr zu qualmen. Niemand macht ein Faß auf, wenn Geschwindigkeiten auf Straßen oder Autobahnen beschränkt werden. Niemand darf besoffen Auto oder Motorrad fahren. Es ist verboten. Vom Staat im Interesse der gesamten Gesellschaft. Das alles, um Menschen vor Tod und Ungemach zu schützen. Vor Unanehmlichkeiten, Lungen- oder Bronchialerkrankunen, vor Krankheiten oder Unfällen. Deshalb bin ich auch für eine Impfpflicht. Es ist eine Schande, daß in unserem Land Impfstoffe weggeworfen werden und zugleich die Impfbereitschaft mit Bratwürsten und Prämien, mit Kopfgeldern oder Gutscheinen angekurbelt werden muß, weil es an Einsicht, Wissen, sozialem Anstand und Vernunft mangelt.

Update: Es trudelt eine Reihe von Kommentaren von unterschiedlichen Mailadressen ein, teils haßerfüllt, teils beleidigend, allesamt nicht auf einen Dialog aus, auf Meinungsstreit, auf den Austausch vernünftiger Argumente. Die Sprache mancher Kommentare ist von einer Art, daß ich zu wissen glaube, wer der Verfasser ist oder sein könnte. Es wäre weit unter dem intellektuellen und sprachlichen Niveau derer, die sich hier im Forum Wermelskirchen äußern, oder derer, die die Beiträge lesen, sich mit den Ergüssen derartiger Erregungsbewirtschafter auseinandersetzen zu müssen. Als Administrator verzichte ich also auf derartige Kommentare. Kommen Sie wieder, wenn Sie die präsenile Phase der Beleidigungssemantik überwunden und Ihre Sprache im Griff haben und bereit sind für gepflegten Meinungsaustausch.

Kommentare (5) Schreibe einen Kommentar

    • Wolf
    • 06.08.21, 18:48 Uhr

    Ich frage mich, wie viel ist ein Amtseid in der Zeit des Wahlkampfs wohl wert?
    Viele Entscheidungen könnten sehr einfach sein.

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    • Musikus
    • 07.08.21, 12:38 Uhr

    Ich lasse mich impfen, sobald die Totimpfstoffe, bzw. proteinbasierten Impfstoffe ( wie Grippeimpfung) zugelassen und auf dem Markt sind. (Zulassungsbeantragung 3. Quartal. Zulassung 4. Quartal 2021). Bis dahin verzichte ich auf eine gentechnisch hergestellte neuartige Impfung, da m. E. nichts über langfristige Folgen bekannt ist und auch sein kann.
    Ich denke, dass es einen großen Impffortschritt gibt, sobald diese 3 Impfungen zugelassen sind, da einige Menschen auf diese Stoffe warten.

    Ich bin sehr wohl für die sinnvollen Maßnahmen, leider existieren auch sehr viele unsinnige. Aber: Es wurde von der Regierung gesagt, alle Maßnahmen fallen, wenn die vulnerablen Gruppen geschützt sind. Das ist jetzt der Fall und mich stört, dass es nun doch noch zu Einschränkungen Ungeimpfter kommen soll. Das ist m. E. Wortbruch und leider wird alles ausschließlich nur auf die Impfung als Gefahrenabwehr abgestellt und andere Möglichkeiten komplett außer Acht gelassen. (Luftfilter in Schulen, ausprobieren von verschiedenen Hygienekonzepten und dann entsprechende Anpassungen…)

    Und wenn die Tests kostenpflichtig sind, wird die Chance vertan, Infektionen zu entdecken und zu verfolgen. Besonders in Gegenden mit prekärer Wohnlage und geringen finanziellen Mitteln. Das ist für mich nicht nachzuvollziehen, dass diese Möglichkeit der Infektionseindämmung abgeschafft wird.

    Zur Gesundheitsvorsorge der Regierung:
    Alkoholmissbrauch, Rauchen, ungesunde Ernährung… liegt auch in der Entscheidung jedes einzelnen, die Kosten trägt auch die Allgemeinheit und da wird auch nicht oder nur wenig mit Verboten gearbeitet, um die Bevölkerung vor Risiken zu schützen. Man denke nur an die lange Zeit, bis endlich Werbung für Zigaretten untersagt wird, und für Alkohol wird vor Formel Eins und Fußball großzügig geworben.

    Übrigens: ich bin kein Aluhut, Querdenker, Rechter oder Impfverweigerer und bin froh, in diesem Land zu leben, denke aber durchaus kritisch.

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      • Grauganz
      • 07.08.21, 22:50 Uhr

      Mir wäre lieber, Sie sagten nicht, wer Sie nicht sind, sondern, wer Sie sind.

      Wolfgang Horn

      Antworten

    • H. Rosen
    • 07.08.21, 18:41 Uhr

    Wer erinnert sich noch an die Schluckimpfung Anfang der 60er Jahre.? Damals in Volksschule ca. 2. oder 3. Schuljahr mussten alle Schüler und Schülerinnen in Reih und Glied antreten. Ein Zuckerwürfel mit etwas Bitterem. Also, Mund auf, den Zuckerwürfel rein, kurz lutschen. Fertig. Es war die Impfung gegen Kinderlähmung! Diskussionen, Bedenken oder Kritik? Nein, das gab es nicht. Nein, es gab auch keine Kinderlähmung.

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