VON WOLFGANG HORN
Am kommenden Montag tagt der Stadtrat. Eine Vielzahl von Beratungsangelegenheiten steht auf dem Programm, unter anderem der Baustopp der Sekundarschule, ein Antrag von SPD, FDP und Grünen, Wermelskirchen zum „Sicheren Hafen“ für Flüchtlinge zu erklären, wie auch die Frage, ob die Zukunft des Freizeitareals im Eifgen in einer Bürobebauung besteht oder ob das Verfahren neu aufgemacht und somit Alternativen zum bislang vorliegenden Vorhaben eines Düsseldorfer Projektentwicklers beraten werden können, Alternativen, die die Belange der Bürgerinnen und Bürger der Stadt stärker zur Geltung bringen.
Es gibt gewiß gute Gründe, sich für das Vorhaben des Projektentwicklers auszusprechen, wie es auch gute Gründe gibt, dem zunächst aussichtslos erscheinenden Projekt „Creative Space“ der Jugendlichen von der „Bowl Church“ beizutreten. Man darf Vorbehalte gegen Freikirchen haben und artikulieren, die das hiesige Projekt unterstützen. Man darf Bürogebäude im Erholungsareal Eifgen für idiotisch und von gestern halten. Beides darf man laut sagen, publizieren, in sozialen Medien diskutieren. Nur: abstimmen kann man nicht über beide Projekte. Entscheiden können sich die Stadtverordneten nur für oder gegen den Projektentwickler aus der Landeshauptstadt.
Weil die „Bowl Church“-Jugendlichen zu spät angetreten sind, als die Beteiligungsfrist nämlich bereits abgelaufen war. Weil das ganze Verfahren, vielleicht in Folge der Coronaumstände, eigentlich öffentlich nicht stattgefunden hat. Alles schien bereits in trockenen Tüchern zu sein, als Verwaltung, Fraktionen und Bürgermeisterin die Projektskizze des Düsseldorfer Unternehmens mit Büros im Freibadgebäude, Parkplätzen und Wohnbebauung in den denkmalgeschützten Gebäuden des ehemaligen Wasserwerks sowie des ehemaligen Maschinistenhauses abgenickt hatten, als dann erst auch eine Debatte in der Wermelskirchener Öffentlichkeit entstand und Bowl Church zu eigenen Überlegungen animiert wurde.
Die aufgeworfenen Fragen sind jedenfalls berechtigt. Ist das Freizeit- und Erholungsareal der geeignete Ort für Co-Working Space, wie es so schön neudeutsch heißt? Also für vor allem in kreativen Berufen und Tätigkeitsfeldern arbeitende Selbständige, Einzelunternehmen, kleine Start-Ups. Macht eine derartige Nutzung eines von den Bürgerinnen und Bürgern als Erholungsareal angesehenen Fleckchens Wald am Rande der Stadt Sinn, wenn mitten in der Innenstadt, in der ehemaligen Telegrafenpassage und der ehemaligen Brache Rhombus, ebenfalls solche Co-Working Spaces geplant werden? Muß das Areal wirklich verkauft oder kann es nicht auch langfristig verpachtet werden? Wie lassen sich die Erholungsbedürfnisse der Menschen in der Stadt mit den Nutzungsüberlegungen harmonisieren? Wäre die Nutzung als Ort für kreative Mitmach-und beispielsweise Weiterbildungs-Angebote sowie als Ort für künstlerische und digital-technische Selbstverwirklichung für die hiesigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht unter dem Gesichtspunkt, daß bislang derartige Möglichkeiten kaum bestehen, ein besserer Ansatz sinnvoller Stadtententwicklung?
Einerlei. Diese und andere Fragen, aufgeworfen durch den Vorschlag der Jugendlichen von der Bowl Church und von Bürgerinnen und Bürgern der Stadt, bei denen Kritik und Zweifel an der bislang vorliegenden Planung aufgekommen sind, lassen sich nur öffentlich behandeln, wenn der Rat am Montag entscheidet, das jetzige Verfahren ohne eine Entscheidung zu beenden. Nur dann haben die Wermelskirchenerinnen die Möglichkeit, ihre Interessen, ihre Präferenzen, ihre Überlegungen zu Gehör zu bringen. Die Pandemie gestattet öffentliche Debatten wieder, Zusammenkünfte, auf denen diskutiert, gestritten werden kann. Eigentlich müssen die Parteien, also der politische Teil der Wermelskirchener Verwaltung, einer solchen Vorgehensweise zustimmen. Sind sie doch vom Votum der Menschen in der Stadt abhängig, auf Zustimmung angewiesen. Beigeordnete und Amtsleiter, technische oder planerische Mitarbeiter der Verwaltung kommen und gehen. Die Bürgerinnen und Bürger leben hier. Und bleiben. Die Verwaltung legt ihren Schwerpunkt auf ein möglichst reibungsloses Verfahren. Politik und Parteien haben großes Interesse an der Mitarbeit der Bürgerinnen und Bürger, daran, daß die Gestaltung der Stadt, die Entwicklung von Flächen und Vierteln nicht gegen oder an den Bürgern vorbei vollzogen wird. Das ist reibungslos nicht zu haben. Wer Bürgerbeteiligung sagt, muß sich auf Widerspruch, Kritik, Irritationen einlassen, auf mehr Erläuterung, mehr Diskussion, mehr Reibung.
Geräuschlos geht kaum mehr etwas in der Politik. Das war einmal. Die Bürgerinnen und Bürger sind wach. Zur Kritik fähig. Und bereit. Die Bindungskraft der Parteien läßt nach. Die Parteien sind auf die Bürger angewiesen. Auf mündige und mutige Bürger, auf eigenwillige und kritikfähige Menschen. Auf Mitstreiter. Nicht brave Abnicker. Die Stadtverordneten müssen sich entscheiden. Für die gewiß unbequemere Einbeziehung der Bürgerinnen der Stadt, die Diskussion ihrer Interessen und Vorstellungen. Oder ein Projekt, in dem nicht die Bürgerinteressen an erster Stelle stehen, sondern finanzielle Überlegungen, Verwaltungslogik, bequeme Routinen.
Da bin ich ja mal gespannt wie das am Montag ausgeht, auch ob geheim oder nicht geheim abgestimmt wird. Innerhalb der Fraktionen werden es unterschiedliche Meinungen geben und da heisst es Farbe bekennen. Ich hoffe auf eine nicht geheime Abstimmung.
“da heisst es Farbe bekennen. Ich hoffe auf eine nicht geheime Abstimmung”
Ich auch, alles andere wäre feige!