NACHRICHTEN AUS DER CORONA-PANDEMIE (CCCXIX)

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz der Corona-Fälle ist wieder im einstelligen Bereich – zum ersten Mal seit dem 13. September 2020. Sie liegt laut Robert-Koch-Institut (RKI) nun bei 9,3. Die Gesundheitsämter haben für Samstagfrüh 1108 Neuinfektionen gemeldet, vergangene Woche waren es noch 1911. 99 Infizierte starben. Am vergangenen Samstag wurden 129 Todesfälle registriert. Die Zahl der als aktuell infiziert geltenden Menschen ist weiterhin rückläufig und liegt nach RKI-Schätzungen bei rund 32.918 Personen (Vortag: 34.931). 3.597.397 Menschen gelten demnach als genesen. Die Ansteckungsrate (R-Wert) ist nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) gestiegen auf 0,61 im Vergleich zum Vortag (0,59).

Die zwei Bundesländer mit den wenigsten Neuinfektionen sind Mecklenburg-Vorpommern mit 5 und Bremen mit 7 Fällen. Den höchsten Tageswert verzeichnet erneut Nordrhein-Westfalen mit 270 Fällen, knapp gefolgt von Bayern (269) und Baden-Württemberg (146). Auch Hessen verzeichnet mit 113 Fällen wieder einen dreistelligen Wert. Im bundesweiten Durchschnitt gibt es momentan 40 aktive Infektionen pro 100.000 Einwohner. Die Länder mit den meisten aktiven Fällen je 100.000 Einwohner sind weiterhin Hessen mit 63 und Rheinland-Pfalz mit 61. Auch in Baden-Württemberg (52), Hamburg und Nordrhein-Westfalen (beide 48) liegen die Werte über dem Bundesdurchschnitt. Die niedrigsten Werte verzeichnen Mecklenburg-Vorpommern mit 12 aktiven Fällen pro 100.000 Einwohner, Schleswig-Holstein (14) und Niedersachsen (15). Die Sieben-Tage-Inzidenz je 100.000 Einwohner ist bundesweit erneut gesunken und liegt in allen Bundesländern deutlich unter 15. Am niedrigsten ist der Wert weiterhin in Mecklenburg-Vorpommern mit 2,8 (Vortag: 3,2), Sachsen-Anhalt mit 4,6 (5,1), Brandenburg mit 4,9 (5,2) und Schleswig-Holstein mit 5,0 (5,5). Am höchsten liegen die Werte im Saarland mit 14,7 (Vortag: 16,4), gefolgt von Baden-Württemberg 14,0 (15,6), Hamburg 12,4 (12,7), Bayern 12,2 (13,7), Hessen 11,4 (13,6) und Nordrhein-Westfalen 11,2 (12,7).

Nach Einschätzung des Charité-Virologen Christian Drosten muss Deutschland die Delta-Variante in der Pandemie ab sofort ernst nehmen. “Ich bin mittlerweile so weit, dass ich sage, wir sind hier jetzt im Rennen in Deutschland mit der Delta-Variante”, sagte Drosten auf dem Online-Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin. “Wir müssen das ab jetzt wirklich ernst nehmen.” Nach einer Analyse des Robert-Koch-Instituts für die erste Juniwoche hatte sich der Anteil der Delta-Variante in Deutschland innerhalb von nur einer Woche auf sechs Prozent fast verdoppelt. In den Wochen zuvor stagnierte diese Mutante bundesweit eher um die zwei Prozent. Gerade in Süd-Dänemark und Schleswig-Holstein gebe es gerade ein Ausbruchsgeschehen. “Das erinnert mich an den Beginn der B.1.1.7-Epidemie in Deutschland, wo es genauso war”, sagte Drosten. Die Situation jetzt in Deutschland sei mit der in England im Mai durchaus ein wenig vergleichbar, analysierte Drosten. In Großbritannien hatte die ansteckende Delta-Variante innerhalb weniger Wochen trotz fortgeschrittener Impfquoten die Vorherrschaft übernommen. Die Inzidenzen stiegen wieder von 20 auf 70. Die Helmholtz-Virologin Melanie Brinkmann ist angesichts des steigenden Anteils der Delta-Variante in Deutschland erschüttert über die derzeitigen Öffnungsschritte. Das berichtet der “Spiegel”. Vor allem Debatten über die Abschaffung der Maskenpflicht hält sie für kontraproduktiv. Diese sei von den Maßnahmen noch “das geringste Übel”. “Wir können derzeit in England beobachten, worauf höchstwahrscheinlich auch Deutschland zusteuern wird”, wird sie von dem Magazin zitiert. Doch statt nun mit Bedacht vorzugehen, handle die Politik schon wieder ungeduldig und ohne einen Plan zu haben, was zu tun sei, sollten die Fallzahlen wieder in die Höhe gehen. Für SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach ist es nicht nachvollziehbar, dass Partien der Fußball-EM trotz aktuell steigender Infektionszahlen durch die Delta-Variante in London ausgetragen werden. “Es ist unvertretbar, dass in England Fußballspiele mit Zuschauern stattfinden”, sagt Lauterbach RTL/ntv. Er hält das Risiko für zu hoch: “Die Delta-Variante ist einfach zu gefährlich. Das ist eine Gefährdung der Bürger Englands und der Bürger Europas. Man müsste die Spiele in ein anderes europäisches Land verschieben.” Neben den beiden EM-Halbfinalpartien findet auch das Finale in London mit Zuschauern statt. Mehr dazu lesen Sie hier. Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisiert die vollen Stadien während der Fußball- Europameisterschaft in einigen europäischen Staaten. Es sei schön, dass in München wieder 14.000 Fans ins Stadion dürften, sagt sie. “Aber wenn ich vollkommen besetzte Stadien sehe in anderen Ländern Europas, dann bin ich ein wenig skeptisch, ob das jetzt die richtige Antwort auf die gegenwärtige Situation ist”, fügt sie hinzu. Die Pandemie sei nicht vorbei, die Delta-Variante gefährlich.

Ab Mittwoch soll es in den NRW-Impfzentren wieder Termine für eine Erstimpfung geben. Zunächst sollen Personen buchen können, die in der Prio-Gruppe 3 sind – unter anderem Über-60-Jährige und Vorerkrankte. Zuletzt waren fast ausschließlich Zweitimpfungen möglich gewesen.

Hamburgs Polizei hat eine Party im Stadtpark wegen Verstößen gegen die Corona-Auflagen aufgelöst. Rund 3000 Menschen feierten in der Nacht bei sommerlichen Temperaturen in der Grünanlage. Aufgrund des Nichteinhaltens der geltenden Corona-Regeln habe die Polizei zunächst mit Scheinwerfern versucht, die Gruppe zum Gehen zu bewegen, sagt ein Sprecher der Polizei. Da dies jedoch nicht gelang und immer wieder Gruppen von 100 bis 200 Personen gebildet wurden, entschied sich die Polizei, das Gelände zu räumen. Dabei kam es vereinzelt zu Flaschenwürfen auf die Polizeibeamten. Eine geplante Demo von Gegnern der Corona-Politik morgen in Kassel bleibt verboten. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) bestätigte entsprechende Entscheidungen des Verwaltungsgerichts sowie der Stadt. Ein Eilantrag des Anmelders der Veranstaltung wurde abgelehnt. Der Gerichtshof begründete seine Entscheidung vor allem mit den Erfahrungen vorheriger “Querdenker”-Versammlungen, insbesondere am 20. März in Kassel. Damals waren bei einer Demo mehr als 20.000 Teilnehmer unterwegs, von denen sich viele nicht an gerichtliche Auflagen wie die Maskenpflicht hielten. Teils kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Nach Ansicht des VGH hat die Stadt “die überzeugende Prognose gestellt, dass aufgrund dieser Erfahrungen bei der angemeldeten Versammlung wiederum mit Verstößen gegen Auflagen und Verbote zu rechnen” sei. Unabhängig von dem Verbot hat sich die Polizei auf einen größeren Einsatz eingestellt. Die Stadt hat für Teile Kassels Maskenpflicht auch im Freien angeordnet.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, fordert eine gerechte Verteilung der Corona-Kosten und einen besonderen Beitrag von Vermögenden und Profiteuren der Pandemie. “Auf welchem Wege diejenigen, die besonders profitiert haben und mit Wohlstand besonders gesegnet sind, auch in besonderer Weise an den Kosten der Pandemie beteiligt werden, muss im politischen Diskurs geklärt werden. Dass sie in besonderer Weise verpflichtet sind, dazu beizutragen, ist aber klar”, schreibt Bedford-Strohm in einem Gastbeitrag für den “Mannheimer Morgen”. “Der Boom an den Aktienmärkten, der die Vermögenszuwächse maßgeblich ermöglichte, verdankt sich nicht zuletzt den aus Steuergeldern finanzierten direkten Unternehmenshilfen.” Das Deutsche Kinderhilfswerk prangert die Vernachlässigung von Flüchtlingskindern in Deutschland während der Corona-Krise an. “Zu den großen Verlierern der Corona-Pandemie zählen gerade geflüchtete Kinder und Jugendliche”, sagt die Vizepräsidentin der Organisation, Anne Lütkes, der “Neuen Osnabrücker Zeitung”. Die Schließung von Kitas und Schulen habe “bei ihnen vielfach dazu geführt, dass sie in ihrem Spracherwerb und auch schulisch weit zurückgeworfen wurden”. Homeschooling ohne Hilfe der Eltern, oftmals ohne ausreichende Hard- und Software sowie ohne Internetzugang in einer Gemeinschaftsunterkunft funktioniere nicht, hebt Lütkes hervor. In den politischen Diskussionen um Schul- und Kitaöffnungen seien Flüchtlingskinder und ihre Familien aber “konsequent ausgeblendet” worden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnen vor einer Ausbreitung der Delta-Variante in Europa. “Deutschland und Frankreich haben relativ strenge Regeln wegen der Ausbreitung in Großbritannien erlassen,” sagt Macron vor einem Essen im Kanzleramt in Berlin. “Es gibt aber einige Länder, die wegen ihrer Tourismusindustrie schnellere Öffnungen beschlossen hatten”, fügt er in Anspielung auf Portugal hinzu, wo derzeit wieder Ausgangssperren verhängt werden. Deshalb müsse man wachsam sein. Auch Merkel warnt vor zu großer Sorglosigkeit in der EU. “Wir können nicht so tun, als wäre Corona vorbei”, warnt sie. Es gebe zwar auf europäischer Ebene heute schon mehr Koordinierung als 2020, aber sie reiche noch nicht aus. Ein belgisches Gericht hat Astrazeneca verurteilt, bis Ende September 50 Millionen Dosen Impfstoff an die Europäische Union zu liefern. Dazu müsse ein fester Lieferplan eingehalten werden, teilte das Brüsseler Gericht erster Instanz auf Anfrage mit. Anderenfalls drohen Zwangsgelder. Die EU-Kommission hatte Astrazeneca verklagt, weil der Hersteller viel weniger Impfstoff geliefert hat als vertraglich zugesagt. Bestellt waren 300 Millionen Dosen von Astrazeneca bis Ende Juni. Doch im ersten Quartal gingen nur 30 Millionen statt 120 Millionen Impfdosen an die 27 EU-Staaten. Die Kommission verlangte per Eilverfahren Ende Mai zunächst rasche Lieferung der ausstehenden 90 Millionen Dosen aus dem ersten Quartal. Das Gericht gestand der EU nun zumindest die rasche Lieferung von 50 Millionen Dosen zu. Angesichts rückläufiger Impfzahlen in der vergangenen Woche ruft Italiens Ministerpräsident Mario Draghi die Bürger des Landes auf, nicht nachzulassen. Ein Impfschutz sei von fundamentaler Bedeutung, sagt er auf einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz. “Das Schlimmste, was Sie tun können, ist, sich nicht impfen zu lassen oder nur eine Impfung zu erhalten.” Hintergrund des Rückgangs ist Experten zufolge die Entscheidung der Regierung, das Mittel von Astrazeneca nur noch für über 60-Jährige zu empfehlen. Dies soll Italiener verunsichert haben, die nun eine zweite Dosis mit einem anderen Mittel erhalten sollen. Er selbst werde nach Astrazeneca nun ein anderes Mittel für seine zweite Impfung erhalten, sagt Draghi. Das Mischen von Impfstoffen sei sicher. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte kündigt für die kommende Woche Lockerungen an. Die Maskenpflicht soll ab dem 26. Juni dort fallen, wo ein ausreichender Abstand eingehalten werden könne, sagt er und bestätigt damit einen Medienbericht. Rutte verweist darauf, dass die Zahl der neuen Positiv-Tests in den Niederlanden auf den niedrigsten Stand seit neun Monaten gefallen ist. Die Lage in Russland verschärft sich weiter. Moskau meldete mit 9056 Neuinfektionen einen neuen Höchstwert für die Hauptstadt. Damit hat sich dort die Zahl der neuen Fälle innerhalb von zwei Wochen verdreifacht. Bürgermeister Sergej Sobjanin verlängerte deswegen die Alltagsbeschränkungen. Die Maßnahmen sollen nun bis zum 29. Juni gelten. Unter anderem müssen bis dahin Cafes und Restaurants am Abend geschlossen bleiben, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern sind verboten. Auch Fanzonen für die Fußball-Europameisterschaft sollen geschlossen werden. In Russland wird eine dritte Corona-Welle befürchtet. Angesichts sinkender Infektionszahlen und fortschreitender Impfungen hebt Spanien die Pflicht zum Tragen einer Corona-Schutzmaske im Freien Ende kommender Woche auf. “Dieses Wochenende wird das letzte mit Masken im Freien sein, denn am nächsten Wochenende werden wir sie nicht mehr tragen”, sagt Ministerpräsident Pedro Sanchez. Das Kabinett werde am nächsten Donnerstag einen entsprechenden Beschluss fassen, der am 26. Juni in Kraft treten solle. Spanien folgt damit trotz der Sorgen vor einer Ausbreitung der ansteckenderen Delta-Variante einer ähnlichen Entscheidung in Frankreich. Abgesehen von wenigen Ausnahmen wie etwa beim Sport gilt in Spanien seit dem vergangenen Sommer in den meisten Landesteilen eine Maskenpflicht für alle Menschen, die älter als sechs Jahre sind.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt die Lage in Afrika als “sehr, sehr besorgniserregend” ein. WHO-Notfalldirektor Michael Ryan führte dies vor allem auf die Ausbreitung ansteckender Varianten und die niedrigen Impfraten auf dem Kontinent zurück. Großen Teilen der afrikanischen Bevölkerung und auch gefährdeten Bevölkerungsgruppen werde der nötige Impfschutz “vorenthalten”, beklagte Ryan. “Das ist das Ergebnis einer höchst ungerechten Verteilung der Impfstoffe.” Nach Angaben der WHO wurden in Afrika in der vergangenen Woche 116.500 Neuinfektionen registriert – 25.500 mehr als in der Vorwoche. In einigen Ländern hat sich die Zahl der Infektionen zuletzt sogar verdoppelt. Bisher sind in Afrika nur ein Prozent der Menschen zweifach und damit vollständig geimpft. Nach Angaben der WHO mussten viele arme Länder ihre Impfprogramme zuletzt sogar abbrechen, weil sie nicht genug Impfstoff haben. Die in Indien erstmals nachgewiesene Delta-Variante wird nach Einschätzung der WHO weltweit die dominierende sein. Der Grund dafür sei die erhöhte Übertragbarkeit der Variante des Coronavirus, sagt WHO-Chefwissenschaftlerin Soumya Swaminathan. Ugandas Präsident Yoweri Museweni hat aufgrund schnell steigender Infektionszahlen scharfe Restriktionen erlassen. Das ostafrikanische Land befinde sich ab sofort für 42 Tage im “totalen Lockdown”, sagt Museweni. Ugandas rund 45 Millionen Einwohner müssten zuhause bleiben. Lediglich Fahrzeuge, die wichtige Fracht oder kranke Menschen transportieren, seien auf der Straße zugelassen. Die Zahl der Neuinfektionen in Uganda war nach Angaben der Africa CDC, der Gesundheitsorganisation der Afrikanischen Union (AU), mit 11.704 Neuinfektionen im Wochenvergleich so hoch wie nie zuvor. Man habe die Nachbarländer um Sauerstoff gebeten, sagt die Gesundheitsberaterin Musevenis, Monica Musenero. “Wir versuchen, woher auch immer Sauerstoffzylinder zu beziehen”, sagt Musenero.

Beitragsfoto © Andrew Neel (Pexels)

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