Wider den digitalen Stammtisch

Zu Pfingsten empfingen die Jünger Jesu den Heiligen Geist, sie waren “erleuchtet” sozusagen, konnten infolge des “Pfingstwunders” mehrere Sprachen sprechen und somit das Evangelium in die Welt bringen. Aber heutzutage ist selbst zu Pfingsten die öffentliche Kommunikation, zumal in den sogenannten sozialen Medien, vielfach wenig sozial, wenig friedenstiftend, oft von Beleidigungen und Haß geprägt. Stefan Janosi, auch Fraktionsvorsitzender der Grünen im Wermelskirchener Stadtrat, hat sich in einer privaten Botschaft in Facebook mit polarisierendem Kommunikationsdreck auseinandergesetzt. Wir dokumentieren den Facebookbeitrag (W.Horn):

Von Stefan JANOSI

„Reality is often disappointing. That is, it was. Now, reality can be whatever I want.“ (Thanos) 

Die Realitäten im Netz werden bewußt durch Algorithmen geformt und viele sind willfährige Konsumenten dieser Realität. Nein, hier kommt jetzt keine Anklage, kein Jammern. Vielleicht etwas Frustration und Enttäuschung. 

Um was geht es? Um die Kommunikation im Netz natürlich. Der Wahlkampf wirft schon jetzt seine Schatten voraus, und wir müssen alle keine Propheten sein, um zu behaupten: der Wahlkampf wird schmutzig! Fake News, DeepFakes, Lügen, Verleumdungen, persönliche Angriffe, Bild- und Textmanipulationen werden geschickt eingesetzt, um den vermeintlichen ideologischen Gegner zu diskreditieren. Das geht bis tief in den Freundeskreis hinein. Hallo? Ich bin nicht Euer ideologischer Gegner!

Die Kommunikation in „sozialen“ Medien ähnelt einem digitalen Stammtisch, bei dem fast alle ein Bier zu viel getrunken haben. Nur fehlt leider das soziale Korrektiv des „Laß-uns-vor die-Tür-gehen”. Aber wie den Besoffenen nachgesagt, erkennt man vielleicht auch hier den wahren Charakter der Stammtischbrüder. 

Manche mutieren im Netz zu wahren Hatern. Es werden munter Texte oder Bildchen geteilt, ohne die Quellen oder deren Inhalt zu überprüfen. Dabei kommen dann häufig rechtsextreme Seiten oder Personen zum Vorschein, die einem wahlweise die Schamesröte oder das Entsetzen ins Gesicht treiben. 

Was mich besonders enttäuscht: Gebildete und von mir eigentlich geschätzte Menschen lassen jegliche Medienkompetenz und manchmal sogar den Anstand vermissen. Da wird dann schon mal auf mehr als zweifelhafte Links oder Quellen zurückgegriffen. Hass und Pöbeleien werden so auch in meine Timeline geschwemmt. Ich werde dann wahlweise als Faschist beschimpft, als Gutmensch oder als grün-links versifft, als Lügner, Depp oder Schlimmeres. Ja, es gab auch schon mal klare Drohungen. 

Liebe Freunde, ihr wisst schon, dass einige von Euch solche Kommentare unter Euren Beiträgen stehen lassen, dass ihr Seiten und Personen verlinkt, die unsere Verfassung in Frage stellen, die mich als Person beschimpfen, bedrohen oder mit Hass überschütten. 

Solche „Meinungen“ sind lediglich das Präludium zu Gewalt. Aus meiner Sicht gehört es sich nicht, solche Pöbeleien unter eigenen Beiträgen unkommentiert zu lassen. Diesen Schmutz ertrage ich seit Jahren, einfach um nicht nur immer allein meine Meinung widergespiegelt zu bekommen, sondern auch, um andere gesellschaftliche und politische Strömungen zu kennen. Andere haben leider resigniert vor der toxischen Welle aus Hass und kommunikativer Gewalt.

“Es geht bei Hass im Netz vor allem eben darum, Menschen mundtot zu machen. Und das sind dann häufig die sogenannten ‘Andersdenkenden’. Es geht darum, an ihnen ein Exempel zu statuieren, um eben auch andere Menschen abzuschrecken und ihnen zu zeigen: Da schau her, wenn du dich im Netz engagierst und zu bestimmten Themen äußerst, dann ist das gefährlich für dich.“ (Zitat DLF)

Ich werde auch weiterhin diese Beiträge ertragen, kein Problem. Was ich nicht mehr machen werde, ist, diese Inhalte zu kommentieren. Gerne äussere ich mich weiterhin auf der Sachebene. Aber der ganze polarisierende Schmutz wird von mir nicht mehr beantwortet, sondern lediglich wahrgenommen. Meine Bitte daher: lasst Euch nicht von Populisten und einfachen Botschaften verführen, auch wenn diese auf den ersten Blick Eure Meinung widerspiegeln sollten. 

Ja, kritisches Denken und Reflektieren kostet Aufwand und Zeit. Aber ich denke, von gebildeten Menschen kann man das erwarten. Auch wenn mein Appell ohne Konsequenzen verhallt, solltet ihr doch überlegen, ob das die Ebene ist, auf der wir als Freunde, Bekannte, Gesellschaft, Menschen, in Zukunft kommunizieren wollen. 

Und vor allem, was eine solche Kommunikation des unterschwelligen oder gar offenen Hasses mit uns allen macht.

Beitragsfoto: Die sonnengelbe Taube vom Barockkünstler Gian Lorenzo Bernini im Petersdom in Rom © wikipedia

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