Ist das schon Pfingsten?

Ein Wort zum Pfingstmontag, dem 24. Mai 2021

VON CORNELIA SENG

„Dass dir auch immer wieder was einfällt“, sagt eine Freundin am Telefon. Wir sprechen über das „Wort zum Montag“. „Das wundert mich auch“, antworte ich ehrlich. Vielleicht fällt mir irgendwann mal nichts mehr ein. Aber gerade jetzt zum Pfingstfest? Ich habe keine Verpflichtung, immer einen Text „abzuliefern“, bin keine berufliche Schreiberin. Ich muss nicht zu allem und jedem etwas sagen können. Und ich habe keine Texte auf Halde. Ich reflektiere meinen Alltag, meinen Alltag „vor Gott und den Menschen“. Meinen Alltag im Ruhestand und in Pandemie-Zeiten. Viel ist nicht los. Was kann ich also in dieser Woche schreiben?

Gestern habe ich mit zwei weiteren OMAS GEGEN RECHTS die Gedenktafel für die während der Nazi-Zeit entehrte und dann zerstörte Synagoge hier in Kassel geputzt. Thilda hat einen Kanister Wasser mitgebracht, auch Putzmittel und Nitro-Lösung, um die Farbschmierereien abzukriegen. Während wir putzen, bleiben zwei Schuljungen stehen und erkundigen sich nach der Religion, um die es da geht. „Hier stand ein Gebetshaus der Juden“, sage ich. Thilda erklärt ihnen geduldig, warum es uns wichtig ist, dass jeder seine eigene Religion haben darf und keiner deshalb beleidigt und beschimpft wird. „Das hat uns unsere Lehrerin auch erklärt“, sagt einer der Jungen. Sie nicken zustimmend, verabschieden sich freundlich und kauen weiter an ihrem Brötchen.

Nach der Putzaktion gehen wir rüber zur neuen Synagoge und schließen uns der Mahnwache vor dem Shabbat-Gottesdienst an. Die Mahnwache ist ein Zeichen an die jüdische Gemeinde, dass wir uns mit ihr verbunden und auch verpflichtet fühlen. „Und sie tut auch uns gut“, sagt der Dekan, der sie organisiert hat. Die neuerlichen Angriffe auf Juden und Synagogen haben uns aufgeschreckt. Nicht wieder in Deutschland! Und sonst auch nirgendwo.

Die OMAS GEGEN RECHTS machen etwa die Hälfte der Teilnehmenden der Mahnwache aus. Trotz der Pandemie und dem verordneten Rückzug sind wir gewachsen. Die wöchentlichen online-Treffen haben uns Zusammenhalt gegeben. Wir freuen uns über die Gelegenheit, uns bei der Mahnwache im richtigen Leben sehen zu können. Das gemeinsame Einstehen für die Menschenwürde ermutigt. Wir sind trotz der schwierigen Zeit tatsächlich eine Gruppe geworden!

Auch von den Umstehenden kennt inzwischen jeder die OMAS GEGEN RECHTS. Damit habe ich vor gut einem Jahr überhaupt nicht gerechnet. Zufrieden mache ich mich auf den Heimweg.

Lohnt es sich, darüber zu berichten? Ich weiß es nicht. Jedenfalls tröstet und ermutigt es mich.

Und ich fühle mich eingeschlossen in das Gebet des Apostels Paulus, der für die Gemeinde in Rom um Erfüllung mit „aller Freude und Frieden“ bittet durch die Kraft des Heiligen Geistes. (Rö 15, 13).

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