Auf Nummer Sicher gehen und fahren

VON JOACHIM ZAPPE (TEXT) UND WALTER SCHUBERT (COMICS)

Es geht wieder los, das Chaos ist nicht mehr weit entfernt. Wenn das Winter-Intermezzo in den nächsten Tagen zu Ende geht, kann man getrost vom leider ausgefallenen Wintersport auf den alpinen Pisten auf die sommerlichen, übervollen Radtrassen wechseln. Ski- und Radfahren haben dabei mehr Gemeinsamkeiten, als man denkt. Auf den Pisten und Hängen sind  Vertreter  unterschiedlichster Sportgeräte zu finden: Alpin- und Langlaufskifahrer, Snowboarder, Tourengeher und Wanderer. Auf den Trassen ist die Vielfalt noch größer. Man sieht  Touren- und Rennräder, Kinderräder, Roller, Mountainbikes und Skater. Das alles elektrifiziert und getunt. Dazu noch Jogger, Walker, Spaziergänger und Gassi-Geher.

Empfehlungen für den pfleglichen Umgang miteinander

In beiden Bereichen geht es immer um Bewegung, Geschicklichkeit, Technik und Geschwindigkeit. Und um Toleranz und Rücksichtnahme. Während jedoch auf den Trassen der Platz mit knapp drei Metern sehr begrenzt ist, hat der Skifahrer auch bei Hochbetrieb wesentlich mehr  Entfaltungsmöglichkeiten.   Aber es gibt noch einen weiteren wesentlichen Unterschied. Auf den Skipisten gelten nämlich  verbindlich die Verhaltensregeln des Weltskiverbandes  FIS, so quasi als “zehn Gebote” des Skifahrens. Spätestens, wenn es unversehens zu einem Unfall gekommen ist, kann der Ski-Spaß schnell zum juristischen Alptraum werden.

Das kann bei der größeren Enge und dem zunehmenden Andrang auf unseren Trassen ganz schnell ebenso oder schlimmer sein.  An gutgenutzten Wochenenden  können wahre Dramen beobachtet  werden zwischen allen beteiligten Menschenströmen. Aggressionen, Rücksichtslosigkeit und Corona-bedingte Frustrationen brechen immer häufiger aus. Der jeweils andere wird als “Feind” und als “Bedrohung” und das Einhalten von Regeln als Beschränkung von Bürger- und Freizeitrechten angesehen. Auf den Trassen gilt zwar uneingeschränkt die Straßenverkehrsordnung StVO, aber ob die immer für die speziellen Trassensituationen angewandt werden kann, ist mehr als fraglich. Es sei deshalb hier einmal der Versuch unternommen, die  FIS-Skiregeln auf Trassen-Bike-Regeln umzuwandeln, um den speziellen Situationen gerecht zu werden.

Ein Versuch –  „FIS-Regeln“ für Trassennutzer?

Regel 1 ist so etwas wie § 1 der Straßenverkehrsordnung: Rücksicht auf andere nehmen. Niemanden gefährden oder schädigen. Mit freundlichem Grüßen wie „Hallo“, „Moin“ oder „Grüß Gott“  zusammen mit „Mundwinkel nach oben“ bewirkt wahre Wunder. Über den Tellerrand gucken, empathisch sein, man könnte selber der jeweils andere Trassennutzer sein.

Regel 2 Tempo und Fahrweise dem eigenen Können, den Witterungsbedingungen und vor allem dem Personen-Aufkommen auf der Trasse anpassen. Wenn Menschenmassen unterwegs sind, sind Geschwindigkeitsrekorde mit Rennrad oder E-Bike unangemessen. Ohne Fahrradklingel dürfte niemand mit Rad unterwegs sein. Die 20 Gramm Mehrgewicht sollten auch für durchtrainierte Tour-de- France-Fahrer nicht zu viel sein.

Regel 3 Wahl der Fahrspur: die Spur wird so gewählt, dass vor einem fahrende oder entgegenkommende  Personen nicht gefährdet werden. Auf welcher Seite Fußgänger, Jogger oder Walker gehen sollten, wird unterschiedlich interpretiert. Es gibt gute Gründe dafür, dass Fußgänger*innen links gehen sollten. Diese Empfehlung spricht auch die Polizei aus. Fußgänger*innen  sollten auf  jedem Fall genug Platz zum Überholen oder Passieren lassen.  Radfahrer*innen  müssen nach STVG rechts fahren.  Wer auf proppenvoller Trasse nebeneinander fährt oder zu Dritt nebeneinander her spaziert, gefährdet sich und andere.

Regel 4 Beim Überholen genügend Abstand einhalten. Der zu Überholende hat Vorfahrt. Es schadet nichts, sich mit Klingeln vor dem Überholen bemerkbar zu machen.

Regel 5 Einfahren und Queren der Trasse mit oder ohne Fahrrad. Vorher vergewissern, ob rechts oder links niemand kommt, ob man gefahrlos auf die Strecke treten und  zu Fuß oder Rad starten kann. Zu beachten ist, dass der Fahrradfahrer  auch bei geringer Geschwindigkeit nicht so schnell vor einem plötzlich auftauchenden Hindernis bremsen kann.

Regel 6 Anhalten: Nicht abrupt anhalten und das möglichst nicht an einer unübersichtlichen Stelle.  Idealerweise an den Rand der Trasse fahren oder gehen. Radfahrer*innen sollten sich beim Anfahren unbedingt umschauen und auf den „herannahenden Verkehr“ achten.

Regel 7 Für Pausen, Pannen oder Kartenstudium sollte der sichere Trassenrand genutzt werden. Das gilt auch für jene, die sich als Gruppe unterwegs treffen und eine nette Unterhaltung  führen wollen.

Regel 8 Markierungen, Verkehrszeichen und Signale auf der Strecke werden  beachtet. Diese Regel ist natürlich für den öffentlichen Straßenverkehr unabdingbar. Hier geht es auch um den “guten Ruf” aller Radfreunde und -freundinnen.

Regel 9 Verhalten bei Unfällen: Jeder ist verpflichtet, Hilfe zu leisten und ggf. den Rettunsdienst zu alarmieren.

Regel 10 Ausweispflicht bei Unfällen: Unfallbeteiligte und Zeugen müssen bei Unfällen ihre Personalien angeben.

Unterschätzte Gefahren auf der Trasse: Kopfhörer, fehlende Hörgeräte und Licht

Wer bei  Hochbetrieb auf den Trassen nichts hört und sieht, ist besonders gefährdet. Wer mit Kopfhörern nur seine Musik und sonst nichts hört oder aus Eitelkeit in der Öffentlichkeit auf die Hörgeräte verzichtet, oder diese nicht richtig eingestellt hat, kann auch keine Warnsignale empfangen. In der dunklen Jahreszeit sind die Spaziergänger und Hundebesitzer besonders umsichtig, wenn Sie in irgendeiner Form Licht dabei haben. Nicht nur bei Dunkelheit stellen sehr lange Hundeleinen eine Unfallgefahr dar. Für Fahrradfahrer tauchen nicht mit Licht ausgestattete Menschen trotz eigener Beleuchtung urplötzlich aus dem Nichts auf. Karambolagen  nicht ausgeschlossen.

LINKS oder RECHTS? Streitfrage: Auf welcher Seite sollten/müssen Fußgänger sinnvollerweise gehen?

Nach Straßenverkehrsordnung sind Radfahrer verpflichtet, das Rechtsfahrgebot einzuhalten. Dem Fußgänger ist es dagegen freigestellt, die Seite  zu wählen, auf der er sich bewegt. Aufgrund des begrenzten Raumes und der großen Personenzahl auf den Trassen  erscheint das Gehen auf der rechten Seite eher kontraproduktiv. Die freundlichen Polizeibeamten, die außerhalb von Corona mehrmals im Jahr in Bergisch Born an ihrem Info-Stand anzutreffen sind, empfehlen das Linke-Seite-Gehen für Fußgänger. Wenn es eng, voll und unübersichtlich wird auf den Trassen spricht vieles für diese Empfehlung.

Wer zu der Generation gehört,  die nicht von den  Eltern im SUV bis ins Klassenzimmer gefahren wurde und den Schulweg  noch per pedes gehen musste, der kennt die Argumente für das „Linksgehen“.  Von den Eltern  und in der Schule wurde man dazu erzogen, auf der linken Straßenseite dem Autoverkehr entgegen zu gehen. Richtiges Argument: Man geht den Autos entgegen und sieht die Autofahrer von Angesicht zu Angesicht. Jeder kann  erkennen, was der Gegenüber macht oder nicht macht.  Das war in früheren Zeiten  umso wichtiger, weil es ja vielfach noch keine Bürgersteige oder Fahrradwege gab. Das gleiche Argument gilt  auch für den Verkehr auf den Trassen, vor allem, wenn der Fußverkehr nicht wie beispielsweise auf der Nordbahntrasse in Wuppertal vom Radverkehr abgetrennt ist. Der direkte Sichtkontakt mit den entgegenkommenden Fußgängern macht es allen möglich, sich umsichtig und situationsgerecht zu verhalten. Fußgänger können, wenn sie beispielsweise  zu dritt nebeneinander gehen, auf den Gegenverkehr  mit Blickkontakt viel besser oder überhaupt reagieren. Kinder und Hunde werden geschützt, wenn es nicht durch spontane und unvorhersehbare Bewegungen zu Unfällen kommen soll.  Natürlich müssen Radfahrer in diesem Fall einen antizipatorischen Blick auf den Rad-Gegenverkehr werfen und ihre Fahrt anpassen. Wenn Fußgänger rechts gehen,  gibt es keinen Blickkontakt mit Fahrradfahrern, die sich ja im Rücken der Fußgänger annähern. Sie sehen nicht, wer an ihnen vorbei fahren will. Die Fahrradfahrer müssen sich darauf verlassen, dass erstens ihr Klingeln gehört wird und zweitens,  die Fußgänger, die Fahrradfahrer auch unfallfrei passieren lassen. Je nachdem, wie viele Fußgänger nebeneinander gehen, ob sie von hinten überhaupt etwas wahrnehmen oder  bereit sind,  den rollenden Verkehr nicht zum Stoppen zu bringen, ist hier das größte Konfliktpotential gegeben.

Gegenteilige Meinungen, Argumente und Vorschläge sind an dieser Stelle gerne gesehen.

Kommentare (3) Schreibe einen Kommentar

    • Barbara Spiegel-Lein
    • 11.04.21, 19:53 Uhr

    Einfach klasse , danke dafür!

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    • Wolf
    • 12.04.21, 8:57 Uhr

    Sehr schön geschrieben und super illustriert. Da gibt es nichts hinzuzufügen, das “Ding” ist rund.

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