Wenn du gegessen hast und satt bist

Ein Wort zum Montag, dem 28. März 2021

VON CORNELIA SENG

„Wenn du nun gegessen hast und satt bist und schöne Häuser erbaust und darin wohnst, dann hüte dich, dass dein Herz sich nicht überhebt und du den HERRN, deinen Gott, vergisst“, lese ich heute morgen in den Losungen (5.Mose 8,12.14).

Christen aus Afrika haben häufig den Eindruck geäußert, dass die Menschen in Europa Gott vergessen haben. In Afrika ist Atheismus nahezu unbekannt. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Sattheit und Gottvergessenheit? „Warum betet ihr eigentlich ’unser täglich Brot gib uns heute‘, solange Aldi noch offen hat?“, fragte Samuel verschmitzt. In seinem Heimatland Tansania ist das anders. Jedes Essen weiß man zu schätzen. Dort spürt man tagtäglich, dass man das Leben Gott zu verdanken hat.

Am vergangenen Wochenende haben in Kassel viele Tausend Menschen gegen die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung protestiert. Regelungen und Auflagen des Staates wurden ignoriert. Ohne Masken sind sie auch in ein Einkaufszentrum gestürmt. Sie halten die Schutzmaßnahmen für unzumutbar. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der gewohnten Sattheit und den Protesten gegen vergleichsweise kleine Einschränkungen?

Heute Morgen erreichen mich Berichte über die Abschiebung von zwei gut integrierten Schülern samt ihrer Mutter nach Bulgarien. Die Schüler, ein 18jähriger Junge und seine ein Jahr jüngere Schwester, standen kurz vor dem Schulabschluss und hatten schon Ausbildungsverträge in der Tasche. Um ein Uhr nachts hat man sie aus dem Bett geholt, in Frankfurt in ein Flugzeug gesetzt und nach Sofia geflogen. Sie waren vor drei Jahren zuerst in Bulgarien als Flüchtlinge registriert worden. Die deutschen Behörden bestehen immer noch darauf, dass die Dublin-Verträge eingehalten werden. Dass die Menschenrechte dabei massiv verletzt werden, scheint für sie keine Rolle zu spielen. Migrationspolitik ist zur Migrations v e r h i n d e r u n g s politik geworden. Über Jahre hinweg hat man in diese Familie investiert. Und nun wollen die beiden jungen Leute mit ihrer Lehre und Berufstätigkeit dem deutschen Staat etwas zurückgeben – da schiebt man sie ab ins Nichts! Ist es unsere Sattheit, die uns so hartherzig und dumm werden lässt? Geht uns der Reichtum inzwischen über alles?

„Seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch“ (1. Thess. 5,18), lautet die zweite Losung heute aus dem Neuen Testament.

Kann man Dankbarkeit lernen? Wieder neu lernen? Kann man Dankbarkeit als Lifestyle der Anspruchshaltung entgegensetzen?

„Was machen wir?“, schreibt eine Frau aus meiner Gruppe der OMAS GEGEN RECHTS zu dem erschreckenden Bericht über die Abschiebung. Ich weiß es nicht. Außer vielleicht immer und immer wieder davon zu reden, zu schreiben, dagegen zu protestieren. Es ist Passionszeit.

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