Auf der Suche nach dem Sonntag

Ein Wort zum Montag, dem 8. März 2021 

VON CORNELIA SENG

Seit zwei Jahren bin ich jetzt im Ruhestand. Seitdem sind plötzlich alle Tage wie Sonntag. Ich habe frei. Ich gestalte die Tage, wie ich möchte. Ich brauche keinen besonderen Tag zur Erholung oder zur Freizeitgestaltung. 

Am Sonntagmorgen bin ich gewöhnlich zum Gottesdienst gegangen, „Sonntagspflicht“ heißt das bei katholischen Christen. Bei mir war es eine gute Gewohnheit. Aber der Lockdown hat mir die gute Gewohnheit genommen. In unserer Gemeinde haben lange Zeit gar keine Gottesdienste stattgefunden. 

Bisher hatte ich es strikt abgelehnt, sonntags einzukaufen. Aber für eine Online-Bestellung muss ja niemand im Laden stehen. Letzten Sonntag habe ich mich dabei ertappt, den Kaffee online bestellt zu haben. Was unterscheidet meinen Sonntag noch vom Alltag? Was macht ihn besonders?

Am 3. März vor 1700 Jahren wurde der Sonntag per Dekret vom Römischen Kaiser Konstantin eingeführt: „Alle Richter, Stadtbewohner und Gewerbetreibende sollen am verehrungswürdigen Tag der Sonne ruhen!“ Die Christen haben sich „am Tag der Sonne“, dem Tag nach dem jüdischen Schabbat, getroffen und die Auferstehung Jesu gefeiert. Damals haben die Juden schon lange einen Ruhetag gehalten. In den Zehn Geboten ist es geschrieben: „Den Schabbattag sollst du halten, dass du ihn heiligst, wie dir der HERR, dein Gott, geboten hat“ (5.Mose 5,12). Am siebten Tag ruhte Gott nach der Erschaffung der Welt. Er tritt quasi einen Schritt zurück von seinem Tun und betrachtet es mit Wohlwollen. Der Schöpfer ist mehr als sein Werk! 

Und ebenso ist der Mensch mehr als die Summe seiner Taten! Er ist das „Ebenbild Gottes“, ein ins Leben geliebtes Geschöpf. Am Ruhetag soll er von seinem Tun zurücktreten, ausruhen und sich das Leben gefallen lassen. 

Ein Ruhetag in der Woche ist eine Übung gegen die Selbstüberschätzung, nach der die Welt an unserem Tun hinge. „An Gottes Segen ist alles gelegen“, wussten die Alten noch. Ich darf Abstand nehmen von meinem Tun, ausruhen. Spüren, dass mein Leben mehr ist als die Summe meiner Taten. Ich darf das Leben feiern. Eben den „Feiertag heiligen“, wie Luther das Gebot übersetzt hat. 

Wie wird der Sonntag neue Gestalt gewinnen bei mir – im Ruhestand und im Lockdown? Ich mache mich auf die Suche. Und wünsche allen eine gesegnete neue Woche.

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